Rettung in der Unterwelt

30.12.2009, 00:00 Uhr
Rettung in  der Unterwelt

© Sippel

Anlass der Führungen ist das Gedenken an den großen Luftangriff auf Nürnberg am 2. Januar 1945, der sich 2010 zum 65. Mal jährt. Nachdem im Januar 2009 die Besucher den Atomschutzbunker im Hauptbahnhof besichtigen konnten, geht es diesmal wieder hinunter in den Panierskeller, der schon 2005 und 2006 im Fokus der damaligen Führungen gestanden hatte. «Wir finden da aber immer neue Wege», sagt Vorstandsmitglied Franz Wolff. Und der Verein kommt auch stets auf Ideen, wie die Bedingungen, unter denen die Bevölkerung damals lebte, den Teilnehmern der Führungen vermittelt werden können.

So erwarten die Besucher in einem Raum des Kellergewölbes, der zur Orientierung von den Nazis den Namen «Norisgrotte» erhalten hatte, drei große Schaufensterpuppen. «Sie sind zeitgemäß gekleidet, um den Leuten einen Eindruck von damals zu geben», sagt der beim Förderverein für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Oliver Schmidtgen. Und die Figuren haben ein Kartenheft in der Hand – trotz der Hektik bei Bombenalarm durften die Nürnberger dieses für die Lebensmittelversorgung unverzichtbare Heft freilich nicht vergessen.

Auch eine Gasmaske ist zu sehen – der bald 85-jährige Vereinsvorsitzende Walter Herppich erinnert sich, dass die Hitler-Jugend diese Masken damals für fünf Mark unters Volk gebracht hat. Herppich hat den Rundgang gemeinsam mit Ralf Arnold konzipiert. Er beginnt bei einer steilen Treppe, die von der Grundschule Paniersplatz in die Sicherheit spendende Unterwelt führt. Die Nationalsozialisten haben ab 1940 die wohl im 16. oder 17. Jahrhundert entstandenen Bierkeller zu Luftschutzbunkern ausgebaut. Während der einstündigen Reise in die Vergangenheit bewegen sich die Besucher in den Kellern unterhalb der Grundschule, aber auch unter dem gegenüberliegenden Scharrer-Gymnasium. Auf Stellwänden können sie sich über die Mittel informieren, mit denen die Nazis die Bevölkerung ab 1938 auf mögliche Luftangriffe vorbereitet hatten.

Es sind auch Bilder zu sehen, die Nürnbergs Altstadt vor der Zerstörung zeigen – in der Tucherstraße etwa waren die Häuser reihenweise mit Chörlein verziert. Zudem beweist ein historisches Dokument, wie schnell die Bürokratie selbst in Kriegszeiten funktionierte: Dort bescheinigt die NSDAP einem Nürnberger bereits am 4. Januar 1945, dass er seine Wohnung durch den Fliegerangriff zwei Tage zuvor verloren hat.

Man müsse sich in die Lage der Leute versetzen, die damals in den Kellern saßen, sagt Franz Wolff: «Als sie herauskamen, wussten sie nicht, ob ihre Verwandten noch leben und ihr Haus noch steht.»

Führungen von 2. bis 10. Januar (außer 7./8. Januar), 11-17 Uhr, jede halbe Stunde. Eintritt: 5 Euro. Treffpunkt: Schulhaus am Paniersplatz 37.

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