Süddeutschlands schwerster Erzzug macht in Nürnberg Station

17.8.2010, 11:00 Uhr
Süddeutschlands schwerster Erzzug macht in Nürnberg Station

© privat/oh

Der „Jumbo“ bringt Eisenerz aus Übersee in die Voest-Stahlwerke im österreichischen Linz. 3500 Tonnen Bruttogewicht und abschnittsweise bis zu vier Lokomotiven erfordert das Schwergewicht und jede Menge Fingerspitzengefühl bei den „Fahrern“. Maier, Huber, Schmidt und viele andere sind oft seit Jahrzehnten Bahnerer mit Leib und Seele – ihre wirklichen Namen müssen hier leider ungenannt bleiben wegen des „Firmengeheimnisses“.

Ausgangspunkt der Fracht ist in Europa der Europort in Rotterdam. Dort wird Roherz aus Brasilien, Südafrika, Schweden oder anderen Ecken der Welt auf Lastkähne umgeladen und rheinaufwärts nach Neuss geschippert. Hier wird es in die Großraum-Schüttgutwagen der Deutschen Bahn (DB) AG umgeladen. Es füllt darin wegen seines hohen spezifischen Gewichts den Laderaum aber nur knapp zur Hälfte. Diese Fakten bestätigt auf Anfrage der NZ gerne und geradezu selbstverständlich die Voest-Alpine AG in Linz.

Mit seinen 3500 Tonnen geht der „Jumbo“ dann im Schlepp zweier DB-Elektrolokomotiven auf die über 800 Kilometer lange Fahrt an Rhein, Main und Donau entlang zum Zielbahnhof Linz-Stahlwerke. Damit ist er bundesweit aber nur „Zweiter“: Zwischen Hamburg-Hansaport und den Hüttenwerken in Dillingen/Saar bzw. Salzgitter in Niedersachsen verkehren Deutschlands schwerste Züge: Die „Super-Jumbos“ haben dank der reinen Flachlandstrecken sogar 5500 Tonnen Gewicht. Sie sind deshalb auch mit automatischen Mittelpuffer-Kupplungen (fast wie auf der Modellbahn) ausgerüstet.

Mit vier Loks über den Spessart

Die Nürnberger Lokführer übergeben den „Jumbo“ in Passau an die Kollegen der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Stunden zuvor haben sie ihn in „NNRA“, so das DB-interne Kürzel für den Nürnberger Rangierbahnhof/Ausfahrbahnhof, von ihren Kollegen aus Würzburg übernommen. Die bringen die Kiste ab Aschaffenburg hierher. Bei der Ankunft in Nürnberg hat das „Erzgebirge auf Rädern“ schon mindestens eine Klettertour absolviert: In Laufach, östlich von Aschaffenburg, schieben gleich zwei weitere E-Loks am Schluss den „Jumbo“ die Spessartrampe hoch bis kurz vor den Schwarzkopftunnel. Die Schubloks machen hier kehrt, der Erzzug rollt hinunter ins Maintal.

Süddeutschlands schwerster Erzzug macht in Nürnberg Station

© Privat

Im Regelfall fährt der „Jumbo“ mit seinen zwei Zugloks von Gemünden über die Werntalbahn nach Schweinfurt und über Bamberg und Fürth zum Rangierbahnhof Nürnberg. In Ausnahmefällen nimmt er aber auch den direkten Weg über Würzburg, muss dazu aber im dortigen Rangierbahnhof die vordere Lok – Bahnbegriff Vorspannlok – als Schiebehilfe an den Zugschluss umhängen. Fest gekuppelt mit dem Zug und mit einem Lokführer besetzt, geht es dann über zwei kleinere Steigungsabschnitte bei Rottendorf und Neustadt/Aisch zum Zwischenziel Nürnberg.

Hier ist nur kurzer Halt für Personalwechsel: Zur Weiterfahrt nach Passau steigen die Nürnberger Kollegen „auf den Bock“. Dabei ist es ganz normal, wenn einer von beiden Lokführern Oberpfälzer Mundart spricht und der andere ein wenig sächselt. Spätestens hier müssen die Nürnberger Lokführer die Vorspannlok ans Zugende hängen, wenn sie nicht schon dort ist wegen der Fahrt über Würzburg.

Dieses zusätzliche Rangiermanöver hat hier wie anderswo physikalische Gründe: Weil auch auf den Steigungen nach Feucht und von Ochenbruck über Neumarkt bis Batzhausen die maximal zulässige Belastung der Zughaken überschritten würde, besteht die Gefahr, dass dann Kupplungen reißen. Um solche Überlastungen und dadurch ausgelöste nachhaltige Störungen des Bahnbetriebs zu vermeiden, wird der Zug nachgeschoben.

Tempo 80 und nur nicht stehen bleiben

Die Schiebehilfe bekommt auch Zug 47981, wenn er den Nürnberger Rangierbahnhof verlässt: Mit maximal 80 Kilometern pro Stunde rollt er bergwärts und darf nun nicht mehr angehalten werden. Passiert dies doch einmal, hätte die Erzfuhre keine Chance, ohne Nachschiebelok wieder in Fahrt zu kommen. Die Strecke wäre blockiert und auch die elektrische Fahrleitung käme arg ins Schwitzen, wenn beide Loks mit voller Leistung anführen. Das zu schreiben, ist zwar die Wahrheit, aber möglicherweise schon wieder ein (nicht nachvollziehbares) „Firmengeheimnis“...

Fakt, und deshalb nicht wegzuleugnen, ist dagegen, dass der Lokführer der schiebenden Lok buchstäblich das Nachsehen hat, „die „A...-Karte“, wie es einer formuliert. Denn von Nürnberg bis Regensburg hat er das immer gleiche, das Blickfeld versperrende Monster vor sich – die rostbraune Rückwand des letzten Erzwagens, aufgehellt von zwei schmalen Winkeln links und rechts davon, in denen die Landschaft als mehr oder minder grüner Wischer vorbeizieht. Damit die Fahrt nicht zum Blindflug wird, sind die Lokführer von Zug- und Schiebelok über Funk miteinander verbunden, haben aber auch noch ihr Mobiltelefon. Die ganze Feinarbeit jedoch wird mit Erfahrung, Fingerspitzengefühl und dem Blick auf die Monitore und Skalen der Instrumente am Führertisch erledigt.