Krebs-Risiko doppelt so hoch?

23.7.2004, 00:00 Uhr
Krebs-Risiko doppelt so hoch?

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Eger präsentierte am Mittwoch die Ergebnisse der weltweit bislang umfangreichsten Untersuchung von möglichen Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk-Basisstationen. Vor elf Jahren wurden die Antennen auf das Dach der Frankenhalle montiert. Fünf Hausarztpraxen der oberfränkischen Stadt haben die Daten von knapp tausend zufällig ausgewählten Patienten über die letzten zehn Jahre hinweg verglichen. Das Resultat ist beunruhigend: In einem Umkreis von 400 Metern um die Anlage treten deutlich mehr Fälle von neuen Krebserkankungen auf als bei Bewohnern in weiter entfernten Straßenzügen.

Dramatische Werte

Von 302 Bewohnern in großer Nähe zu den Antennen bekamen in den letzten zehn Jahren 18 einen Tumor, bei den 631 untersuchten Bürgern mit Wohnungen in größerer Entfernung erkrankten nur 16 Patienten. Damit ist die Rate der Neuerkrankungen im Bereich um die Mobilfunkmasten mehr als zweimal so hoch. Zudem erkranken die Patienten in diesem Bereich durchschnittlich achteinhalb Jahre früher.

Die Nailaer Ärzte haben ihre Studie in Eigeninitiative, ohne finanzielle Unterstützung durchgeführt. Methodisch beraten wurden sie von Dr. Rainer Frentzel-Beyme, Leiter des Instituts für Präventionsforschung der Hochschule Bremen und Herausgeber des „Krebsatlas Deutschland“.

Bei der Diskussion in der Frankenhalle kritisiert Gunar Krenzer vom Landesamt für Umweltschutz, die Untersuchung sei nicht wissenschaftlich korrekt. Messungen des Landesamtes hätten ergeben, dass die permanente Strahlung von schnurlosen Telefonen in manchen Häusern rund um die Mobilfunkmasten deutlich höher sei als die Strahlungen durch die Antennenanlage. So etwa im benachbarten Gymnasium. „In den untersuchten Haushalten hätte daher auch die Verbreitung von schnurlosen Telefonen geprüft werden müssen“, sagt Krenzer. „Warum sollte es in den Häusern rund um die Antenne doppelt so viele schnurlose Telefone geben?“, entgegnet Eger.

Das Ergebnis der Untersuchung in Naila „kann ein Alarmzeichen sein“, sagt Eger. „Die Frage ist nicht, was wir falsch gemacht haben könnten, sondern: Wie können wir mehr und besser forschen.“ Die Studie habe signifikante Ergebnisse erbracht und solle jetzt die Behörden wachrütteln, um selbst Untersuchungen durchzuführen.

Der arg in Bedrängnis geratene Krenzer kritisiert weiter, dass er sich nicht ausreichend auf die Diskussion vorbereiten konnte, da ihm die Ergebnisse nicht vorab mitgeteilt wurden: „Das ist nicht wissenschaftlich.“ Der bislang eher verhaltene Protest der Zuhörer schlägt in Wut um: „Mir hängt Ihre wissenschaftliche Haarspalterei zum Halse raus!“, schreit ein aufgebrachter Bürger. „Wir sind betroffen!“

Nailas Bürgermeister Frank Stumpf (Freie Wähler) nimmt die Studie der Ärzte sehr ernst — zumal der Mobilfunkbetreiber Vodafone einen zweiten Mast im Ort aufstellen will. Ende März hatte der Stadtrat mit Widerwillen die Genehmigung für die neue Anlage erteilt, weil die Rechtslage keine andere Entscheidung zuließ.

Bei einer Ablehnung hätte die Stadt Schadensersatzansprüche von Vodafone riskiert, denn die Anlage würde die gesetzlichen Grenzwerte einhalten. Deshalb stimmte der Stadtrat zu und reichte zugleich eine Petition beim Bundestag ein, in der niedrigere Grenzwerte gefordert werden, wie sie zum Beispiel in der Schweiz gelten.

Bürgermeister geschockt

Kurz nach der Zustimmung erfuhr Bürgermeister Stumpf jedoch von Dr. Eger erste Zwischenergebnisse der Ärzte-Studie - und war schockiert. Der Stadtrat nahm seinen Beschluss zurück — „auch wenn wir uns damit bewusst über geltendes Recht hinwegsetzen“, sagt Stumpf. „Ich bin nicht für die Umsatzsteigerung von Mobilfunkunternehmen gewählt, sondern für das Wohlergehen der Bürger“, betont er im Gespräch mit der NZ.

Damit liegt die Entscheidung beim Landratsamt, das die Ablehnung des Nailaer Stadtrates wieder aufheben kann. Doch dies wird vorerst nicht geschehen: „Ich werde in nächster Zeit keine Genehmigungen für Mobilfunkmasten innerhalb von Ortschaften geben“, sagt Landrat Bernd Hering (SPD) gegenüber der NZ. Auch er fordert niedrigere Grenzwerte.

Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf betonte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass die Grenzwerte den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation entsprechen. Auf die Frage, ob die Naila-Studie zu ähnlichen Untersuchungen des Ministeriums anregen könne, äußerte er sich zurückhaltend: Er müsse die Studie zunächst sorgfältig prüfen. Für die Forschung sei aber primär der Bund zuständig. Tatsächlich hat das Bundesumweltministerium gerade eine Untersuchung von 40 000 Personen in Auftrag gegeben. Nachweise seien jedoch sehr schwierig, erklärt ein Experte des Ministeriums: Die Bewohner verbringen viel Zeit außerhalb der Wohnungen, Mauern können die Strahlen reflektieren oder dämpfen.

Erst vor kurzem habe man ein Untersuchungsverfahren entwickeln können, das solche Faktoren berücksichtige — deshalb werde diese umfangreiche Untersuchung erst jetzt durchgeführt.

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