Bis 1966 wurde der Prolog immer wieder der Zeit angepasst

25.11.2011, 17:16 Uhr
Bis 1966 wurde der Prolog immer wieder der Zeit angepasst

© Roland Fengler

Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass Irene Brunner erstmals auf der Empore der Frauenkirche stand, um den Christkindlesmarkt zu eröffnen. Und es ist ihr, als wäre es erst gestern gewesen. „Die ganzen Gefühle, die Bilder, alles ist einfach da“, sagt sie. „Das kriecht so in einen Menschen hinein, das vergeht nie wieder.“ Brunner hatte das Amt des Nürnberger Christkindlas sieben Jahre inne – von 1961 bis 1968 – Rebekka Volland nur zwei – von 2007 bis 2008, doch beider Empfindungen sind gleich: „Es ist etwas ganz besonderes und nicht mit Worten zu beschreiben.“

Bis 1966 wurde der Prolog immer wieder der Zeit angepasst

© Erich Guttenberger

Der Prolog ist beiden in Fleisch und Blut übergegangen. Geschrieben hat ihn Friedrich Bröger, der Sohn des Arbeiterdichters Karl Bröger und Namensgeber der Straße, in der die Awothek angesiedelt ist. Anfang und Ende des Prologs sind seit 1948, als die Nürnberger Schauspielerin Sophie Keeser ihn zum ersten Mal sprach, gleich geblieben. Der Mittelteil wurde bis 1966 immer wieder der Zeit angepasst.

Der Text aus dem Jahr 1961 sei ihr ganz besonders zu Herzen gegangen, sagt Brunner: „Dieser Platz war stets das Herz der Stadt. Jahrhunderte bauten ihn, doch ein Tag hat ihn ausgelöscht“ – gemeint ist der 2. Januar 1945, der Tag an dem Nürnberg zerbombt wurde. Vor 50 Jahren, als Brunner in die Fußstapfen des ersten Nürnberger Nachkriegs-Christkindlas, Sophie Keeser trat, waren die Spuren der Zerstörung noch im Stadtbild sichtbar.

Als Keeser 1960 nicht mehr länger Christkindla sein wollte, brachte der damalige Chefdramaturg am Schauspielhaus, Friedrich Bröger, die junge blonde Schauspielerin Irene Brunner ins Gespräch. „Das war eine große Ehre für mich, aber nie eine Rolle“, sagt Brunner. „Man verkörpert das Christkind.“ Das sieht Rebekka Volland genauso. Sowie man das Gewand, die Locken und die Krone trage, fühle man sich mit der Figur verschmolzen.

350 Auftritte absolvierte Volland in den zwei Jahren als Christkindla. Danach repräsentierte sie Nürnberg in Chicago und Philadelphia. Was waren die bewegendsten Momente? Volland will sich nicht festlegen, zu unterschiedlich seien die Geschichten, die sie erlebt habe und zu verschieden die Menschen, denen sie begegnet sei. „Vielleicht ist es das: wenn kleine Kinder in der Onkologie sich keine Geschenke wünschen und auch nicht, dass das Christkind sie wieder gesund macht, sondern dass Mama nicht mehr so traurig ist.“

Die Eröffnung des Christkindlesmarkts mitzuerleben, ist für Brunner und Volland ein absolutes Muss. Und wenn sie ihren Blick hinaufwandern lassen zu dem Mädchen hoch oben auf der Empore, dann wissen sie genau, wie es sich dort anfühlt. „Solange man hinter dem Vorhang steht, glüht man vor Lampenfieber“, sagen sie. „Aber wenn er aufgeht, dann vergisst man alles - Lampenfieber, Kälte – und nur eines zählt: Konzentration.“ Dass ein Christkind beim Prolog gepatzt habe, sei noch nicht vorgekommen. Für den Fall der Fälle aber gelte es, einfach kurz durchzuatmen und weiterzumachen.

Seit 1969 wird das Nürnberger Christkindla gewählt. Bewerben können sich Mädchen zwischen 16 und 19 Jahren. Wie Brunner hat auch Volland keineswegs schon als Kind davon geträumt, dieses Amt zu übernehmen. „Ich habe lange an das echte Christkind geglaubt, das ich nie zu Gesicht bekommen habe, weil ich immer zu langsam war.“ Der Funke ist übergesprungen, als sie Eva Sattler als Christkind beobachten konnte. „Das hat mich fasziniert.“ Sie habe dann viel über die Geschichte des Christkindlas und des Marktes gelesen und sich ein Jahr später als Nachfolgerin Sattlers beworben – mit Erfolg. 2007 stand Rebekka Volland das erste Mals hoch über dem Hauptmarkt mit Blick auf die Menschen und die Gassen unter sich.

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