Zerzabelshof-Rundgang von «Geschichte für Alle»

21.7.2009, 00:00 Uhr
Zerzabelshof-Rundgang von «Geschichte für Alle»

© Fengler

Den dörflichen Charakter hat sich der Stadtteil bis heute in Ansätzen bewahrt. Doch es gibt auch weniger idyllische Ecken. «Man sollte nicht zu sehr über verschwundene Altbausubstanz jammern», erklärt Alexander Schmidt. Der Historiker wohnt selbst in Zabo und beginnt seine Führung am Johann-Adam-Reitenspieß-Platz. Die neue Mitte des Viertels entpuppt sich als funktional und weniger als heimelig und ist nach dem letzten Bürgermeister der selbständigen Gemeinde Zerzabelshof benannt.

In den 20ern prägten Industriearbeiter den Stadtteil

Die Eingemeindung erfolgte 1923. Im Adressbuch von Nürnberg taucht Zabo erstmals ein Jahr später mit 99 Anwesen auf. Straßennamen existierten da noch nicht. Immerhin hatte der Stadtteil aber schon über 1000 Einwohner, angeblich waren 90 Prozent davon Industriearbeiter. Das kleine Dorf wuchs durch die Gründung von drei Wohnungsbaugenossenschaften nach drei Seiten hin. Entlang der Waldluststraße und dem Heimgartenweg entstand eine langgestreckte Siedlung, die nur von Wald und Wiesen umgeben war.

Die Siedlungsgenossenschaft Bingscher Arbeiter errichtete Häuser mit Gartenanteil in Richtung Tiergarten, und die Baugenossenschaft Nürnberg-Ost erstellte Häuser und verkaufte Baugrund entlang der Fallrohrstraße. «Neuzabo» überlagerte schnell das alte Dorf.

Wo sich heute der «Zabokreisel» befindet, spielte sich während des 3. Reiches eine skurrile Geschichte ab. Die Buswendeschleife der Linie 84 planten braune Zaboraner 1933 in eine nationalsozialistische Kultstätte umzumodeln. Eine «Hitlereiche» wurde gepflanzt, der Baum steht dort noch immer. Außerdem stellte man eine «Irminsäule» auf, die die germanischen Stämme symbolisieren sollte. Doch hochrangige Nazis fanden den Plan albern und die Säule verschwand in der Versenkung.

Das ursprüngliche Zabo findet man heute noch an der Goldbachwiese. Dort stehen Reste des Herrensitzes, der Jahrhunderte lang im Besitz der Patrizierfamilien Waldstromer und Löffelholz war. Zerstört im Markgrafenkrieg 1552, danach wieder aufgebaut und mit einer Kapelle versehen, war der Herrensitz noch Anfang des 19. Jahrhunderts ein funktionsfähiges Landgut mit 50 Tagwerk Nutzfläche.

1861 kaufte Carl Freiherr von Mettingh das Gebäude und lies es im Tudorstil umgestalten. Die Anlage wurde 1944 durch eine Bombe schwer getroffen. Mitte der 50er entstand in einem Flügel des Herrensitzes das Kino «Schloss-Lichtspiele». Dessen kühn geschwungene Glasfassade ist bis heute noch erhalten. Dieses Gut war auch der Grund, dass der 1. FCN seine ruhmreichste Zeit in Zerzabelshof erlebte.

1913 konnte der Verein die Ländereien erwerben und baute den «Sportpark Zabo». Fünf deutsche Meisterschaften wurden hier errungen. Das Gelände beinhaltete nicht nur ein vereinseigenes Stadion, sondern auch ein Freibad, Tennisplätze, ein Rollsportfeld und ein Klubhaus. Im 2. Weltkrieg brannte die hölzerne Haupttribüne ab. Eine neue Betontribüne und erweiterte Zuschauerwälle boten 1950 Platz für 35 000 Besucher. Das Eröffnungsspiel verlor der Club allerdings mit 0:5 gegen Austria Wien. Doch bald wurde das Gelände dem 1. FCN zu klein. Am 1. September 1966 kam es zur Sprengung der Haupttribüne. Der Abriss des alten Sportparks markierte den Startschuss für einen immensen städtebaulichen Einschnitt. Nach dem Verkauf des Geländes entstanden entlang der Jochensteinstraße Hochhäuser mit über 800 Wohnungen.

Architektonisch stellt die Wohnanlage einen totalen Bruch mit der dörflichen Struktur dar. Dafür verantwortlich zeichnete Franz Ruff, der als Architekt für die Nationalsozialisten in Nürnberg das «Braune Haus» und die «SS-Kaserne» entwarf.

Weitere Termine: 23.8., 27.9., 18.10., 15.11., jeweils 14 Uhr, Start am Johann-Adam-Reitenspieß-Platz

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