26. Mai 1968: Der Neid ist verflogen

26.5.2018, 07:00 Uhr
26. Mai 1968: Der Neid ist verflogen

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Die Bundesligakonkurrenz, die "kleinen Brüder" aus den Regionalligen und Amateurklassen, Politiker und reine Fußballanhänger, Franken, Rheinländer, Berliner, Niedersachsen, Hamburger … Postoberschaffner Wilhelm S. weiß ein Liedchen davon zu singen. Seit Montag hätte er sich eine Ehrenkarte des Club verdient, denn: über neunzig Prozent seiner Post sind an den 1. FCN gerichtet.

"Seit zehn Jahren gehört der Club zu meinen Zustellkunden. Schon bei der achten Meisterschaft 1961 war es viel, 1962 beim Pokalsieg nicht weniger. Aber was bis jetzt gekommen ist, ist mehr als bei beiden vorausgegangenen Titeln zusammen", erzählte S..

Es wird noch Tage dauern, bis in der Geschäftsstelle alle Briefe und Telegramme gelesen worden sind. Ein Glückwunsch wurde schon herausgefischt und mit besonderer Aufmerksamkeit studiert. Er wurde am Montag um 11 Uhr in Köln aufgegeben. Sein Inhalt: "Liebe Sportkameraden! Auch aus Köln kommt ein sehr herzlicher und aufrichtiger Glückwunsch zur deutschen Meisterschaft mit der neidlosen Anerkennung, daß die beste und beständigste Mannschaft den Titel gewonnen hat.

"... Meister sein noch mehr"

Unser Glückwunsch gilt allen Beteiligten, Vorstand, Trainer, Mannschaft und Betreuern. In wieder ungetrübter sportsfreundschaftlicher Verbundenheit, Ihr 1. FC Köln." Bei aller Freude über soviel Sportgeist, in der FCN-Geschäftsstelle wird man jetzt schon an die Redensart erinnert: "Meister werden ist schwer, Meister sein noch viel mehr". Das Telefon steht nicht mehr still, die Besucher geben sich die Türklinke in die Hand – der traditionsreiche Zabo gleicht nochmals einem Bienenhaus. Jeder will eine Karte für das Samstagsspiel gegen Borussia Dortmund mit anschließender Meisterehrung haben.

Fünf Jahre mußte der Club hinter seinem ersten Bundesligatitel hinterher rennen. Jetzt hat er ihn vier Tage an seine Vereinsfahne geheftet, da stöhnt Dr. Wortner: "Wenn alles vorbei ist, mache ich drei Kreuzchen."

Kartenvorverkauf für die Messehalle

Freilich sollte man das nicht zu wörtlich nehmen. Die Worte wurden von der Zeitnot diktiert: die Einladungen müssen raus. Schließlich sollen der Samstag und Sonntag die größten Freuden- und Jubeltage in der ruhmreichen Clubgeschichte werden. Minister werden zum Empfang gebeten, Vertreter der anderen Bundesligavereine sollen mitfeiern – am Samstagabend um 20 Uhr im Rittersaal der Kaiserburg, am Sonntag um 11 Uhr beim Frühschoppen im "Deutschen Hof" und um 19 Uhr in der Messehalle (Karten für diese Veranstaltung gibt es ab heute bei Max Morlock und im Amtlichen Bayerischen Reisebüro im Hauptbahnhof). Ob Udo Jürgens kommt, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall werden Herbert Hisel, die Peterlesboum und Frank Raimond die Meisterspieler rühmen.

Diese haben dann schon ein strapazenreiches Wochenende hinter sich. Noch im Stadion werden sie den "Kuchenteller" in Empfang nehmen, Lobesworte des DFB hören und dann in einem offenen Autokorso über die Regensburger, Marien- und Königstraße zum Empfang durch die Stadt zum Hauptmarkt fahren – sicherlich begleitet vom Jubelgeschrei Zigtausender von Anhängern. Nach dem anschließenden Festessen auf der Kaiserburg wollen sie sich noch mit ihren Vorgängern, den Morlocks, Kennemanns, Öhms usw., im Zabo zusammensetzen.

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