7. April 1967: Kaum Platz für große Kinder

7.4.2017, 07:00 Uhr
7. April 1967: Kaum Platz für große Kinder

© Kammler

Während für die Kleinen selbst in dichtbesiedelten Vierteln immer noch eine Spielwiese oder ein Sandkasten abfällt, finden die großen Buben und Mädchen kaum noch einen Platz zum Austoben im Häusermeer und Verkehrsgewühl. Nürnberg kann sich zwar mit der stattlichen Zahl von 488 Spielplätzen auf einer Fläche von 405.000 Quadratmetern und 484 Sandkästen durchaus sehen lassen, aber mit sogenannten Bolzplätzen ist es wahrlich nicht gesegnet.

Die Wöhrder Wiese mit ihren Fußballfeldern stellt zweifellos ebenso wie der mustergültige Robinsonplatz im Luitpoldhain ein Paradies für Schüler dar, doch werden Eltern in Gibitzenhof oder Gostenhof, in Steinbühl oder Johannis ihre Kinder kaum auf den gefahrvollen Weg dorthin schicken. Die Bezirkssportanlagen in Schniegling, Langwasser und an der Witschelstraße bieten sich samt den städtischen Sportplätzen in anderen Bezirken als Tummelplatz förmlich an, aber sie sind – wie das Beispiel des Sportplatzes hinter dem Sigena-Gymnasium zeigt – von früh bis abends für den Sportunterricht belegt und vergeben.

7. April 1967: Kaum Platz für große Kinder

© Kammler

„Die Kinder bräuchten um die Ecke ihres Wohnung eine Platz in der Größe einer Turnhalle (also 12x24m) mit einem Härtebelag, auf dem sie Ball über die Schnur, Völkerball oder Federball spielen und Rollschuh laufen könnten“ sagen jene Leute, denen Schilder mit Aufschriften wie „Betreten der Wiesen verboten“ oder „Ballspielen im Bad untersagt“ ein Dorn im Auge sind. Bei der derzeitigen Finanzlage ist kaum daran zu denken, daß solche Hartplätze von heute auf morgen in großer Zahl entstehen können, weil ein Quadratmeter Fläche etwa 30 Mark kostet.

Schulhöfe für Sport freigegeben

Der Stadtrat hat daher die Schulhöfe längst schon für Spiel und Sport an den Nachmittagen freigegeben, doch bisher hat sich dort nicht der gewünschte Betrieb eingestellt. Die einen meinen, die Kinder machen einen Bogen um die Höfe, weil sie dort nur kahle Flächen ohne jedes Spielgerät vorfinden, andere vermuten, daß möglicherweise die Hausmeister in der schulfreien Zeit nicht auch noch gerne eine ausgelassene Bande vor der Haustüre toben sehen möchten.

Als glatter Fehlschlag hat sich der der Versuch des Sportamtes erwiesen, einen gesteuerten und gelenkten Spielbetrieb mit Sportlehrern in zwei Schulhöfen einzuführen. "Das hat net groß hingehauen", meint Oberamtmann Georg Beil, der Leiter des Sportamtes, denn offensichtlich wollen die Buben und Mädchen in ihrer Freizeit unbeaufsichtigt und frei herumtollen.

Mehr Glück hat Beils Behörde mit der Werbung für wöchentlich zweimal zwei Sportstunden unter den Sechs- bis Achtkläßlern von vier Schulen gehabt. Auf Anhieb meldeten sich 100 junge Leute zu den Übungen in der Turnhalle und im Gymnastiksaal der Volksschule Hummelsteiner Weg, die von erfahrenen Betreuern aus Sportvereinen geleitet werden.

So begreiflich es ist, daß es in der Stadt selbst kaum noch Platz für große Kinder gibt, so unbegreiflich muß es erscheinen, daß selbst in neuen Wohngebieten nur wenig oder gar nicht an sie gedacht wird. "Über eine Schaukel, einen Rundlauf und einen Sandkasten geht die Kinderfreundlichkeit meistens nicht hinaus", lautet eine oft gehörte Kritik. Wie wichtig es aber wäre, Buben und Mädchen geeignete Spielmöglichkeiten einzuräumen, beweist eine einzige Tatsache: in Nürnberg sind 100 Kurse für orthopädisches Turnen nötig.

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