9. April 1967: Die Mädchen in Papier

9.4.2017, 07:00 Uhr
9. April 1967: Die Mädchen in Papier

© Kammler

Die hauchdünnen Kreationen die in Amerika schon längst den Markt erobert haben, machen jetzt in den Nürnberger Kaufhäusern Furore. Den weiblichen Modefans eröffnet sich ein völlig neues Garderobengefühl: in Einweg-Kleidern zum Picknick ins Grüne, zum Strandbummel ans Meer oder zur Party in den eigenen vier Wänden.

9. April 1967: Die Mädchen in Papier

© Kammler

Die superleichten und bunten Hänger sind erst der Anfang einer Papier-Hausse, die schnell um sich greifen wird. Die Schlager sind schon geboren: Damenblusen, Röcke, Bettwäsche, Tischdecken und freche Bikinis – alles aus Papier.

Gestern 11.45 Uhr in der Breiten Gasse. Die "Hertie"-Verkäuferinnen Karin Schawohl und Ursula Gräbner tragen die Papiermode offen zur Schau. Bereits nach den ersten Metern richten sich bohrende Blicke auf die beiden Schönheiten. Ob des schlechten Wetters für ihre sommerliche Tracht stöhnt eine Passantin: "Glatter Wahnsinn. Die holen sich bestimmt eine Lungenentzündung." Einige Fußgänger, vor allem jüngere Herren, nehmen die Verfolgung auf. Schnell spricht es sich herum: Mädchen in Papier.

Die Kleider gehen weg wie warme Semmeln. Kein Wunder, denn mit fünf Mark pro Stück sind sie für jeden erschwinglich. Das Interesse der jüngeren Generation ist groß. Man höre und staune: die luftig geschnittenen Kleidchen aus Vlies, die in den Größen 36 bis 46 angeboten werden, können sogar zwei- bis dreimal leicht gewaschen werden. Folglich vertragen sie auch dicke Regentropfen. Ihre Form behalten sie bei, und über der Dampfheizung sind sie in zehn Minuten trocken – ohne Bügeleisen.

Die Damenwelt sieht für die Kreationen aus der Papiermühle ungeahnte Chancen. Die Trägerinnen denken dabei in erster Linie an Partys und Faschingsbälle zu Hause. Flinke Änderungen mit der Schere nehmen die Kleider nicht übel, da das leidige Fransen wegfällt. Einige Warnungen seien aber doch ausgesprochen. Vorsicht beim Bücken und Freudensprüngen, spitzen Fingernägeln und heftigen Umarmungen. Wer mit dem Feuer spielt, muß sich ebenfalls in acht nehmen. Ungefährlich sind dagegen die heißen Männerblicke, die jedes Papierkleidmädchen verschlingen.

"Einfach toll", findet eine 23jährige Angestellte die Kleider aus der Retorte. "Ich schlüpfe ein oder zweimal rein und stecke sie dann in den Mülleimer." Selbst ein Rentner sparte nicht mit Lobesworten. "Ich würde meiner Frau sofort eins kaufen, wenn sie 30 Jahre jünger wäre", meint er.

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