9. Februar 1967: Technik beflügelt den Unterricht

9.2.2017, 07:00 Uhr
Diese Mädchen haben gerade Unterricht in Maschinenbuchhaltung. Die Schule verfügt über 17 Buchungsmaschinen, von denen jede einen Anschaffungswert von 5500 Mark hat.

© Gerardi Diese Mädchen haben gerade Unterricht in Maschinenbuchhaltung. Die Schule verfügt über 17 Buchungsmaschinen, von denen jede einen Anschaffungswert von 5500 Mark hat.

30 Schülerinnen hören die Aufgaben, blicken zur Kontrolle auf die Zahlen des Lehrers - dann rasseln 30 moderne Rechenmaschinen. Und wieder kommt die Stimme des Lehrers: "Wie lautet das Ergebnis?"

"Maschinenrechnen" steht in dieser Stunde auf dem Lehrplan einer Abgangsklasse der Handelsschule an der Nunnenbeckstraße. Was hier geübt wird, ist keine Spielerei, sondern ernster Unterricht in einem Pflicht- und Prüfungsfach.

9. Februar 1967: Technik beflügelt den Unterricht

© Gerardi

Mit Beginn des Schuljahres 1966/67 ist die Städtische Handels- und Wirtschaftsaufbauschule in ihr modernes Haus in Wöhrd eingezogen. Damit war grünes Licht für die Arbeit der Anstalt als einziger Modellschule ihrer Art in Bayern gegeben.

Schon der Name "Handels- und Wirtschaftsaufbauschule" besagt, daß der Bildungsrahmen weit gespannt ist. Während die Handelsschule sich an bürotechnischen Erfordernissen orientiert, vermittelt die Wirtschaftsaufbauschule darüber hinaus Kenntnisse der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer. Dieser Zweig der Anstalt könnte auch wirtschaftskundliche Realschule genannt werden. Beide Schulzüge fahren jedoch - um beim Bild zu bleiben - in eine Richtung, so daß Umsteigen möglich ist. Außerdem garantiert die Ausbildung den Anschluß an eine weiterführende Anstalt, etwa das Wirtschaftsgymnasium.

Mädchen in der Überzahl

Im allgemeinen kommen die Buben und Mädchen nach der sechsten Volksschulklasse zur Wirtschaftsaufbauschule. Der Weg bis zur mittleren Reife dauert dann noch vier Jahre. Nach dem ersten Aufbau-Schuljahr besteht die Möglichkeit, in den Handelsschulzug überzutreten. Erfahrungsgemäß nützen vor allem Mädchen die Chance, weil ihnen naturwissenschaftliche Fächer weniger liegen als Jungen. Zu den "Umsteigern" gesellen sich dann die Neulinge aus den siebten oder achten Volksschulklassen, die dreijährige Handelsschulausbildung als praxisnahe Vorbereitung auf einen kaufmännischen Beruf wünschen.

Zur Zeit besuchen rund 1100 Mädchen und Jungen in 22 Handels-, neun Wirtschaftsaufbau- und einer kaufmännischen Jahresklasse die Modellschule. Der Jahreskurs ist Absolventen von zehnten Klassen und Gymnasien und Schülerinnen und Schülern mit mittlerer Reife vorbehalten, die eine spezielle kaufmännische Fachbildung suchen. In den 22 Handelsklassen dominieren die Mädchen im Verhältnis 90:10, in der Wirtschaftsaufbauschule ist das Verhältnis 60:40. Den Unterricht erteilen 65 Lehrkräfte, darunter 15 nebenberufliche.

Voraussetzung für den auf die modernen Erfordernisse ausgerichteten Unterricht sind in erster Linie Maschinen. Die Schule verfügt über 85 Schreibmaschinen, Stückwert 700 DM, 40 elektrische Schreibmaschinen zum Preis von je 1000 DM, 37 Rechenmaschinen á 3500 DM und 17 Buchungsmaschinen, die je 5500 DM kosteten. Dazu kommen 35 Diktiergeräte mit einem durchschnittlichen Wert von 600 DM.

"Bei uns haben Büromaschinen ihren Anschauungscharakter verloren", versichert der Leiter der Schule, Oberstudiendirektor Dr. Waldemar Siekaup. Die Schüler sollen jedoch an den Apparaten keine mechanischen Handgriffe lernen. Vielmehr sollen die Maschinen "Hilfestellung fürs Denken leisten", das heißt, der Schüler soll nach wie vor zum Schmierzettel greifen, die Aufgaben denkmäßig planen - modern programmieren genannt - und dann erst auf die Tasten drücken.

Die Erfahrungen des ersten halben Jahres beweisen den Lehrern der Modellschule, daß der Umgang mit den Maschinen großen Spaß macht. Das Diktat über Band und Kopfhörer ist ebenso beliebt wie die Maschinenbuchhaltung. In absehbarer Zeit wird ein Übungskontor eingerichtet, in dem die Schüler den Bürobetrieb spielend kennenlernen werden.

Selbstverständlich dürfen neben diesen praxisnahen Fächern Rechtschreiben und Rechnen nicht zu kurz kommen. Da Handel und Industrie nicht selten über Mängel auf diesen Gebieten klagen, steht Deutsch "bei uns besonders hoch im Kurs", bestätigt Dr. Siekaup.

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