9. Januar 1969: Schon Krach um die DB-Direktion

9.1.2019, 07:00 Uhr
9. Januar 1969: Schon Krach um die DB-Direktion

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In zahlreichen Stellungnahmen wird übereinstimmend die Meinung vertreten, daß eine Verlegung der Bundesbahndirektion nach Regensburg wirtschaftlich und verwaltungsmäßig "unsinnig" sei. Die zu der fränkischen Aktionsgemeinschaft gehörenden SPD-Landtagsabgeordneten haben in einer "scharfen" Resolution eine "große Anfrage" im bayerischen Landtag angekündigt. Auch der CSU-Bezirksverband Nürnberg-Fürth kündigte "schärfsten politischen Widerstand" aller fränkischen CSU-Mitglieder in einem Schreiben an Ministerpräsident Dr. Goppel für den Fall der Verlegung der Nürnberger Direktion an.

Während die bayerische Staatsregierung und das Wirtschaftsministerium eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen Staatssekretär Sackmann noch gestern abend ablehnten, betonte die in München erscheinende CSU-Korrespondenz (UC), Sackmann habe in der Verwaltungsratssitzung sich für die Erhaltung der Direktion Nürnberg und Regensburg eingesetzt. Bei einer anschließenden Debatte über eine mögliche Verlegung der Direktion von Nürnberg nach Regensburg habe der Staatssekretär lediglich erklärt, er könne für eine solche Lösung keine bindende Erklärung der Staatsregierung abgeben.

Die Erklärung der CSU-Korrespondenz (UC) sagt jedoch nichts darüber aus, wer in der BB-Verwaltungsratssitzung den Alternativvorschlag, die Direktion Nürnberg für die Regensburger Direktion zu "opfern", tatsächlich in die Diskussion eingebracht hatte. Es ist zweifellos richtig, daß Staatssekretär Sackmann in der Sitzung seinen Alternativvorschlag nicht im Auftrag der bayerischen Staatsregierung machte. Aber es ist ebenso richtig, daß dieser Vorschlag eben von Sackmann ausgegangen ist.

Der Hauptvorstand der Bundesbahn in Frankfurt erklärte gestern auf Anfrage, daß sowohl der Hauptvorstand, als auch die Organisationskommission dem Verwaltungsrat für eine Neuorganisation der Verwaltung die Reformvorschläge aus dem Logemann-Gutachten empfohlen habe. Das einzige und entscheidende Kriterium für die Bundesbahn sei, die wirtschaftlichste Form für den weiteren Betrieb zu finden. Deshalb habe für den Hauptvorstand niemals eine Alternative Regensburg oder Nürnberg bestanden. Mit dem Beschluß des Verwaltungsrates vom 18. Dezember 1908, die Direktionen Wuppertal, Münster, Kassel, Mainz, Augsburg und Regensburg aufzulösen, stehe für die Bundesbahn fest, daß Nürnberg Direktionssitz für Nordbayern bleibt. Eine andere Lösung sei aus Wirtschaftsgründen nicht zu vertreten.

Schwergewicht in Nürnberg

Im Logemann-Gutachten wird besonders betont, daß ein Blick auf die Karte der Industriestandorte nördlich der Donau sofort erkennen lasse, daß das Schwergewicht von Wirtschaft und Verkehr im Bezirk der Bundesbahndirektion Nürnberg liegt, der den Nachbarbezirk Regensburg deswegen auch in der Bevölkerungszahl, Bevölkerungsdichte und der Zahl der größeren Städte bei weitem übertrifft.

In dem Gutachten heißt es wörtlich: "Bei der Entscheidung der Frage nach dem künftigen Direktionssitz sprechen alle fachlichen Gesichtspunkte für Nürnberg. Der Verwaltungssitz einer Bundesbahndirektion sollte nämlich im Idealfall einerseits möglichst in der geographischen Mitte des Streckennetzes liegen, das sie verwaltet; andererseits sollte er aber auch gleichzeitig in dem wirtschafts- und verkehrsgeographisch wichtigsten Zentrum und in dem bedeutendsten betrieblichen Knotenpunkt ihres Gebietes liegen." Diesen Forderungen entspricht Nürnberg in geradezu vollkommener Weise. Es ist nicht nur – wie bereits ausgeführt – Schwerpunkt der Industrie des bayerischen Raumes nördlich der Donau, wobei der Wirtschaftsgroßraum Nürnberg den Wirtschaftsraum Regensburg noch um ein Vielfaches übertrifft, sondern es ist als Schnittpunkt wichtiger Verkehrslinien nach der Landeshauptstadt auch der nächstgrößte Brennpunkt des Eisenbahnverkehrs in Bayern. Dieser Vorsprung vor Regensburg zeichnet sich außer dem in der Bedeutung der Verkehrs- und Betriebsanlagen sowie im Personalbestand und in den Leistungszahlen der Direktion eindeutig ab."

In der Direktionsverwaltung Nürnberg sind gegenwärtig 1.317, in der Direktion Regensburg 843 Bedienstete beschäftigt. Auch diese Zahlen sprechen für die Bedeutung der Nürnberger Direktion.

Bürgermeister protestierte

In Vertretung von OBM Dr. Urschlechter erhob Bürgermeister Franz Haas schärfsten Protest gegen alle Pläne, die Bundesbahndirektion nach Regensburg abzuziehen. Die Stadt Nürnberg beruft sich dabei nicht nur auf die Tradition in der Eisenbahngeschichte, sondern verweist vielmehr auf den größten Güterbahnhof Bayerns. "Ein Abzug der Bundesbahndirektion aus dem Herzen Nordbayerns, aus einer der größten deutschen Industrielandschaften überhaupt, erscheint auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar, dies um so weniger, als die Direktion einen Bereich verlassen würde, in dem künftig das europäische Autobahnnetz in einem einmaligen Knoten zusammenläuft, in dem Luft- und Wasserwege bedeutende Anschlüsse für die Schiene bilden."

CSU sieht keine Gefahr

Der CSU-Bezirksverband Nürnberg-Fürth sieht zwar für den Fortbestand der Direktion Nürnberg keine unmittelbare Gefahr, denn der Verband hält eine etwaige Absicht, die Bundesbahndirektion aufzulösen, für so abwegig, daß er ihm von Anfang an keine Chance beigemessen hatte.

"Dessen ungeachtet hat er sich in einem Schreiben an den bayerischen Ministerpräsidenten rein vorsorglich gegen solche Gerüchte gewandt und darin zum Ausdruck gebracht, daß die Nürnberger CSU mit Unterstützung der übrigen fränkischen Parteifreunde an den Auflösungs- oder Verlegungsbestrebungen ihren äußersten politischen Widerstand entgegensetzen würde. In ihrem Schreiben stellt sie fest, daß auch nicht der leiseste sachliche Grund für eine Verlegung spräche."

Aus sozialen Gründen protestierte auch die Gewerkschaft der Eisenbahner gegen eine mögliche Verlegung der Direktion nach Regensburg. Bezirksleiter Franz Wolf erklärte, daß 900 Nürnberger Verwaltungsbeamte nach Regensburg umsiedeln müßten, weitere 400 würden in dem Gebiet der jetzigen Direktion Nürnberg verstreut werden. Zusätzlich sei zu befürchten, daß später andere zentrale Dienststellen der Bundesbahn in Nürnberg zur Auflösung anstünden.

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