Das Cadolzburger Erfolgs-Musical

2.8.2015, 13:00 Uhr
Das Cadolzburger Erfolgs-Musical

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Dass Ihr viertes Musical ein ziemlicher Renner werden dürfte, hat sich Anfang Juli abgezeichnet. Damals haben Sie den Spielplan um vier Zusatztermine ergänzt. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?

Lange: Anfangs war das nicht abzusehen, aber ab der zehnten Vorstellung haben wir immer vor vollen Rängen gespielt. Dass ein Stück von uns so einschlägt, hatten wir noch nicht. Jetzt haben wir so viele Anfragen, dass wir etliche Termine mehr machen könnten. Aber wir wollen dem Team nicht noch mehr zumuten.

Auf Ihrer Bühne stehen lauter Laien. Sie sind seit Monaten jedes Wochenende eingespannt. Haben die noch ein Leben neben dem Musical?

Lange: Genau besehen, haben sie seit einem Dreivierteljahr wegen der Proben schon kein freies Wochenende mehr. Alle Rollen sind doppelt besetzt, mit Maske, Technik bis hin zu Catering oder Ticket-Kontrolleuren sind alles in allem 160 Leute im Einsatz. Und sie sind alle mit so viel Herzblut dabei, dass sie selbst an den Abenden kommen, an denen sie nicht eingeteilt sind. Bei uns stehen ganze Familien vom Enkel bis zum Opa auf der Bühne. Da stellt sich eher die Frage, was machen wir danach?

Dröge: Aber wir sorgen schon dafür, dass keiner in ein Loch fällt. Tänzer und Chor treffen sich das ganze Jahr. Im Winter haben wir unsere Fränkische Weihnacht, mit der wir auf Tournee gehen. Und uns schwebt noch ein Potpourri aus Szenen aller unserer Musicals vor.

Ihr Stück thematisiert schweren Stoff. Bäuerin Marie verliebt sich in den früheren Zwangsarbeiter Francois, der am Hof geblieben ist und wartet gleichzeitig auf die Rückkehr ihres Mannes aus der Kriegsgefangenschaft. In die Zeit des Wiederaufbaus gebettet, geht es um den Zweiten Weltkrieg und das Massaker der Waffen-SS in Oradour. Wie kann das auf der Musicalbühne funktionieren?

Stiegler: Die Geschichte mit einem Zwangsarbeiter, der in einer deutschen Familie heimisch wird, gab es in zig Variationen in ganz vielen Familien. Das berührt die Leute persönlich.

Lange: Dass es funktioniert, dürften wir auch unserem Regisseur Jan Burdinski verdanken, der sehr geschickt Zeitsprünge zwischen 1945 und 1955 und Ortswechsel zwischen Frankreich, Russland oder Franken in Szene setzt. Ich hatte anfangs Zweifel, ob die Zuschauer dem so folgen können, aber das ist kein Problem. Jedes Land hat seinen eigenen Sound, ich habe sogar einen Kasatschok fürs Gefangenenlager komponiert, Volksmusik kennzeichnet Franken, Rock ’n’ Roll begleitet die Jugend der 1950er Jahre. Und dazwischen haben wir ganz tolle Tanzszenen.

Wie reagiert das Publikum?

Stiegler: Wir haben teils Standing Ovations, die Leute sind ergriffen. Manche Besucherin hat schon beim fünften Lied ein Taschentuch gebraucht. Allerdings habe ich den Eindruck, dass es etwas dauert, bis die Leute realisieren, was sie gesehen haben. Beispielhaft war für mich mein Vater. Am Abend der Aufführung urteilte er, „passt scho“. Zwei Tages später meinte er, er habe jetzt drüber nachgedacht, das Stück sei fantastisch.

Mademoiselle Marie wird auch verfilmt, wie kam das?

Dröge: Peter Ponnath, Filmproduzent in Fürth, ist auf uns zugekommen und macht jetzt sogar zwei Filme, eine Dokumentation und einen Spielfilm. Dafür haben wir uralte Locations aufgetan. Am zweiten Oktober-Wochenende steht der Dreh in Oradour an, wofür sich Robert Hébras, der letzte Zeitzeuge des Massakers in Oradour, mit dem Bürgermeister der Stadt nach ihrem Besuch vor zwei Wochen bei uns eingesetzt haben. Hébras will sogar selbst mitspielen.

Die Summen, mit denen Sie hantieren, dürften mittlerweile ziemlich mächtig sein?

Dröge: Bei den Filmarbeiten sind wir außen vor. Unsere Produktionen stemmen wir komplett aus Eintrittsgeldern und Sponsoring. Dass wir bei Mademoiselle Marie mit etwa 300 000 Euro auskommen, funktioniert nur, weil wir viel ehrenamtlich machen. Nur was wir selbst nicht können, die Einspielungen der Nürnberger Symphoniker, heuer auch der Thilo Wolf Bigband, Regie oder Bühnenbild, kaufen wir ein. Müssten wir unsere Darsteller und Helfer bezahlen, bräuchten wir sicher Millionen. Bisher ist es immer gerade so aufgegangen.

Das dürfte ein Glücksspiel sein, Ihr Metier ist extrem wetterabhängig.

Dröge: Natürlich ist das eine Zitterpartie, wir haben vor jeder Aufführung quasi eine Standleitung zum Wetter-Radar. Bisher, auch in den Vorjahren, hatten wir Glück, diese Saison mussten wir bisher nur eine Aufführung unterbrechen. Als in Fürth der Sommernachtsball im Stadtpark abgesagt wurde, haben wir gespielt. Die Leute sind gefesselt sitzen geblieben, obwohl es gegen Ende wirklich ungemütlich wurde.

Wie gehen Sie mit dem Erfolg um?

Dröge: Wir betreiben hier einen gigantischen Aufwand. Das steht man nur mit dem Adrenalinschub durch, den der Erfolg bringt. Es kostet allerdings auch immer ein paar Kilo Körpergewicht. Aber wir bleiben auf jeden Fall am Boden. Unsere Alleinstellungsmerkmale — die vielen Mitwirkenden, die Mundart, ausschließlich Eigeninszenierungen — ziehen. Mit unserer letzten Inszenierung Aeronauticus waren wir das zweiterfolgreichste Laien-Freilufttheater Bayerns. Aber wir sind uns auch im Klaren, dass das schnell kippen kann.

Stiegler: Ein kleines Erfolgsrezept bisher war, dass wir thematisch immer eine andere Epoche wählten.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Fehlen würde noch die Gegenwart . . .

Stiegler: Stimmt, ich hab’ da auch schon einiges im Kopf, aber das ist noch zu frisch, um etwas zu verraten.

Lange: Nächstes Jahr lassen wir die Freiluftsaison pausieren, weil unsere Spielstätte im Zuge des Umbaus der Cadolzburg zum Erlebnismuseum dann Baustelle ist. 2017 würden wir Mademoiselle Marie gern wieder im Burgvorhof auflegen. Dafür sind aber noch Gespräche mit der Schlösserverwaltung notwendig. Doch wir sind guter Dinge, die Burg soll dann schließlich belebt werden.

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