Den Industriestaaten fehlt der Ehrgeiz

16.12.2018, 19:21 Uhr
Den Industriestaaten fehlt der Ehrgeiz

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Den Industriestaaten fehlt der Ehrgeiz

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Und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, denn ihre Urteile über das Treffen ähneln sich und lassen sich in etwa so zusammenfassen: Gut, dass sich die knapp 200 Staaten auf ein Regelwerk geeinigt haben, mit dem sich die Schritte der einzelnen Staaten messen lassen. Und schlecht, dass gerade die großen Industriestaaten ihren Ehrgeiz beim Kampf gegen die Erderwärmung nicht gesteigert haben.

Nur die Fidschi-Inseln

Lediglich ein paar kleine Staaten wie die Fidschi-Inseln wollen ihre Anstrengungen verstärken — doch Lisa Badum ist natürlich klar, dass die Auswirkungen aufs Weltklima eher überschaubar bleiben. Weiger bedauert besonders, dass die Zahl der Blockierer sogar zugenommen hat — und nennt dabei besonders Brasilien: "Es ist wegen des Regenwaldes ein Schlüsselland für den Schutz des Weltklimas." Denn diese Bäume nehmen das Treibhausgas CO2 auf, das für die Erderwärmung verantwortlich ist. Werden sie gerodet und verbrannt, wird es freigesetzt — mit negativen folgen für das Klima. Das aber will Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Bolsonaro verstärkt erlauben. Weiger setzt internationale Zusammenarbeit der Naturschützer dagegen: Dadurch soll die Zivilgesellschaft des Landes so gestärkt werden, dass sie dagegen erfolgreich Widerstand leisten kann.

Blockierende Staaten sieht Lisa Badum natürlich auch — aber besonders bedauert sie, dass sich die Europäische Union in Kattowitz nicht zu verstärkten Anstrengungen durchringen konnte. Die Gemeinschaft will den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 40 Prozent senken, die Niederlande wollten diese Marke auf 55 Prozent erhöhen. Einigkeit kam nicht zustande, unter anderem wegen der Bundesrepublik. Sie wird schon den Wert für das Jahr 2020 reißen; dann drohen nach Badums Worten Ausgleichszahlungen in einer Höhe von 30 bis 60 Milliarden Euro. Dabei wäre ein europäischer Konsens für Badum ein wichtiger Ansatz, denn: "Was die EU macht, haben wir direkt in der Hand."

Das gilt auch für den Ausstieg aus der Verstromung von Braunkohle, der Weiger ein besonderer Dorn im Auge ist. Dieser Schritt wäre ein "weltweites Aufbruchssignal" und könnte einen verhängnisvollen Mechanismus beenden: Derzeit wird in der Bundesrepublik so viel Ökostrom wie nie produziert, die Elektrizität aus Braunkohle muss deshalb ins Ausland exportiert werden. Die Emission aber werden, weil hierzulande entstanden, Deutschland zugerechnet.

Für den Weg dorthin hat Weiger eine Vision: Die Regionen, die heute von schmutziger Energie leben, sollen zu Musterknaben werden — mit Strom aus Sonne, Wind oder Biomasse sowie hocheffizienter Nutzung. Das soll ergänzt werden, auf der einen Seite durch Forschungskapazitäten in diesem Bereich, aber auch durch Ausbildung in Berufen, die die Menschen an der Lausitz oder in Nordrhein-Westfalen fit macht für diesen Wandel. Es wäre außerdem ein Signal, dass eine Industrienation wie die Bundesrepublik zugleich auf Atom- wie auch auf Kohlestrom verzichten kann und trotzdem erfolgreich bleibt.

Gesetz exportiert

Diesen schnellen Kohleausstieg will auch Lisa Badum, weil er die deutsche Führungsrolle in Sachen Klimaschutz unterstreichen würde. Immerhin wurde das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien in rund 40 Staaten nachgeahmt.

Wichtig ist für sie, dass die jeweiligen Ziele hochgesetzt werden, denn "ohne das gibt es keine Maßnahmen". Und Kattowitz war für sie auch ein Wert an sich — nämlich dass die Verhandlungen trotz verstärkter populistischer Tendenzen überhaupt stattgefunden haben. "Das Ende des Multilateralismus", folgert sie daraus, "ist noch nicht gekommen".

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