Diakonie-Chef schließt Streikrecht nicht mehr aus

8.5.2012, 12:00 Uhr
Diakonie-Chef schließt Streikrecht nicht mehr aus

© Michael Matejka

„Niemand kann ernsthaft behaupten, Streik müsse bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung in der Kirche für alle Zeiten ausgeschlossen sein“, sagte Breitenbach bei einer Tagung der Gewerkschaft ver.di vor gut einhundert Mitarbeitervertretern - so heißen Betriebsräte im kirchlichen Bereich - aus ganz Bayern. Arbeitsniederlegungen seien genauso wie Aussperrungen aber lediglich „letzte Mittel“.

Für Kirche und Diakonie, bei der allein in Bayern rund 70000 Menschen beschäftigt sind, gibt es ein eigenes Tarifrecht, den sogenannten Dritten Weg. Streiks sind derzeit verboten. Mit Spannung wird aber noch in diesem Jahr eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt in dieser Frage erwartet.

Der Chef der Rummelsberger Dienste mit insgesamt etwa 5500 Mitarbeitern geht davon aus, dass die Durchsetzungskraft der Arbeitnehmerseite künftig gestärkt werden muss. Breitenbach fragt sich, „ob deren Interessen derzeit beim Dritten Weg ausreichend zum Zuge kommen, oder ob nicht vielmehr die Grundidee ausgehöhlt worden ist“.

Spontanen Beifall bekam Breitenbach in Nürnberg für seinen Wunsch, „dass gewerkschaftlich engagierte kirchliche Mitarbeiter und auch Repräsentanten der Gewerkschaft selbst in den kirchlichen Strukturen aktiv sind und an deren Fortentwicklung mitarbeiten.“ An der Spitze mancher diakonischer Einrichtungen gibt es immer noch starke Vorbehalte gegen ver.di-Aktivitäten, gelegentlich werden diese sogar behindert.

„Ich persönlich teile nicht das Interesse, gewerkschaftlichen Einfluss aus Kirche und Diakonie herauszuhalten“, versicherte Günter Breitenbach. Das in der Verfassung verbriefte Recht der Kirchen auf Selbstbestimmung werde dadurch „nun wahrlich nicht gefährdet“. Er kündigte für die nahe Zukunft ernsthafte Gespräche über Modelle an, nach denen sich Gewerkschaften am Dritten Weg beteiligen können. Bisher lehnen sie das grundsätzlich ab.

Unverhohlene Kritik übte der Rummelsberg-Chef an diakonischen Trägern, die sich unter wachsendem Kostendruck Denkweisen angeeignet hätten, wie sie in der Privatwirtschaft üblich seien. „Nicht wenige meinten in der Vergangenheit, Lohnabsenkungen, Ausgründungen und Leiharbeit seien der einzige Ausweg.“

Der Vorgänger des Vorstandsvorsitzenden, der heutige Passauer Dekan Wolfgang Bub, war vor gut zwei Jahren als Chef in Rummelsberg zurückgetreten. Dabei hatten Konflikte auch um solche Fragen eine große Rolle gespielt.

Inzwischen, so Breitenbach, seien Maßnahmen ergriffen worden, die dafür sorgen, „dass der diakonische Auftrag nicht verdunkelt wird“ und eine Balance zwischen der notwendigen Wirtschaftlichkeit und fachlichen Erfordernissen besteht. So sei der Wachstumskurs korrigiert, die Leiharbeit beendet und die Befristung von Arbeitsverträgen auf ein Minimum beschränkt worden.

„Das würde uns helfen“

Gegen „Lohndumping und Billigpflege“ machte sich Günter Breitenbach für einen bundesweiten Flächentarif Soziales stark, wie er von ver.di, aber zum Beispiel auch von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und Politikern vorgeschlagen wird. „Das würde die freie Wohlfahrtspflege in ihrem Kampf um Qualitätsstandards in der sozialen Arbeit unterstützen und Verhandlungen mit den Kostenträgern erleichtern“, betonte er, „uns wird ja gerne vorgerechnet, dass es andere billiger machen.“

Breitenbach stieß in der Versammlung bei ver.di-Funktionären und

den Mitarbeitervertretern auf große Zustimmung. Manche baten darum, seine „wichtige Botschaft“ Diakonie-Geschäftsführern und Dekane weitergeben zu dürfen.