Die Türkei im Zeichen des Kreuzes

19.5.2011, 20:10 Uhr
Papst Benedikt XVI. Kommt er zur Freigabe der Ausgrabungen?

© dpa Papst Benedikt XVI. Kommt er zur Freigabe der Ausgrabungen?

Unter dem Gras, den blühenden Blumen und dem Klatschmohn auf dem Hügel hinter der Abzweigung außerhalb von Denizli schlummern die Ruinen der antiken Stadt Laodikeia. Sie war einst eine der reichsten Städte Kleinasiens, eine der frühesten christlichen Gemeinden der Welt. Schon Paulus erwähnte die Stadt, Laodikeia war zudem eine der sieben Gemeinden der biblischen Johannesoffenbarung. Im vierten Jahrhundert tagte dort ein Kirchenkonzil - doch dann verschwand Laodikeia aus der Geschichte. Von einem Erdbeben zerstört, wurde die Stadt im siebten Jahrhundert verlassen und vergessen.

"Laodikeia ist die größte antike Stadt in Anatolien nach Ephesus, sie erstreckt sich über eine Fläche von fünf Quadratkilometern", sagt Grabungsleiter Celal Simsek. "Die Stadt hat zwei Theater, sie hat das größte Stadion in Anatolien, sie hat die größten Thermen in Anatolien, und drei weiterere Thermen obendrein." Im ganzen römischen Reich war nur der Circus Maximus in Rom größer als das Stadion von Laodikeia, nur die Caracalla-Thermen in Rom größer als die Thermen dieser Stadt. Dennoch sei Laodikeia noch immer ein Geheimtipp, sagt der türkische Kulturminister Ertugrul Günay. Er reist regelmäßig zur Ausgrabungsstelle, um nichts zu verpassen. "Da kommen rasend schnell immer neue Bauten ans Tageslicht - absolut riesig. Hier bricht eine bedeutende römische Stadt aus dem Boden hervor wie eine Springflut", sagt er.

Bedeutende Stätte für christliche Pilger

Erst zwei Prozent der Stadt wurden bisher freigelegt, doch der Minister ist sicher: "Es ist eine sehr bedeutende Stätte, die gerade für christliche Pilger interessant sein wird, doch sie war bisher völlig unbekannt." Das wird nicht mehr lange so bleiben, wenn Grabungsleiter Simsek Recht behält. Eine gewaltige Kirche aus der Zeit von Kaiser Konstantin dem Großen haben die Forscher um Simsek in der Stadt ausgegraben. Das Bauwerk dürfte eine der ältesten Kirchen der Welt sein.

Bei einer Untersuchung des Geländes mit einem Georadar stießen die Forscher von der Universität Denizli im vergangenen Jahr auf die Reste des Baus. Dass es sich um eine bedeutende Kirche handeln musste, war schon angesichts ihrer Größe schnell klar. Zweitausend Quadratmeter beträgt die Grundfläche des Bauwerks, zehn gewaltige Pfeiler stützten das Dach.

Das allein wäre schon ein bedeutender Fund gewesen. Doch Mosaiken, Fresken und Münzen, die in den Ruinen gefunden wurden, erlaubten genaue Rückschlüsse auf das Alter des Bauwerks - und da verschlug es Simsek fast den Atem. In den Jahren zwischen 313 und 320 wurde die Kirche nach Erkenntnissen des Forscherteams errichtet, also Jahrzehnte vor der Hagia Sophia und lange vor dem Trierer Dom.

Eine der ältesten Kirchen der Welt

Zudem blieben die Reste der Kirche von Laodikeia über Jahrhunderte unter der Erde unberührt: "Diese Kirche hier dürfte deshalb eine der ältesten Kirchen der Welt sein, die im Originalzustand erhalten sind", sagt Simsek. Neue Erkenntnisse über ihre Zeit, über die Geschichte des Christentums und vor allem über die Entwicklung der Kirchenarchitektur werde dieser Fund ermöglichen, glaubt der Professor: "Wenn eines Tages die wichtigsten archäologischen Entdeckungen des 21. Jahrhunderts aufgelistet werden, dann wird die Kirche von Laodikeia auf jeden Fall dazu gezählt werden." Ausgezeichnet erhalten ist die Kirche für ihre 1700 Jahre obendrein. Die Inschriften auf den makellosen Mosaiken am Boden sind mühelos zu lesen; auch die Malereien an den Wänden sind noch zu sehen. Besonders beeindruckend ist das Taufbecken, das in der angebauten Taufkapelle in den Boden eingelassen ist, mit Stufen zum Ein- und Aussteigen für die damaligen Massentaufen.

Noch ist die Kirche mit Seilen abgesperrt und für Besucher unzugänglich, bis die Restaurierung abgeschlossen ist, doch für die Zukunft rechnet Simsek mit einem Besucheransturm aus aller Welt. Bevor die Kirche für Besucher zugänglich gemacht werden könne, müsse das Bauwerk abgesichert werden, sagt der Professor. "Denn wir können davon ausgehen, dass Millionen Menschen kommen werden." Voraussichtlich im kommenden Jahr werde die Kirche von Laodikeia zu Besichtigung freigegeben, schätzt der Archäologe. Zur Eröffnungsfeier will Günays Kulturministerium den Papst einladen. Spätestens dann werden auch die Touristenbusse in Laodikeia halten.

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