Fährschiff-Reederei droht der Untergang

30.11.2011, 12:01 Uhr
Fährschiff-Reederei droht der Untergang

© dpa

Noch bevor der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal entstand und die Fluggesellschaften Massenpublikum mit Billigangeboten lockten, waren sie beliebtestes Mittel, um vom europäischen Festland auf die britische Insel überzusetzen: die Passagier-Fähren, die das französische Calais mit dem englischen Dover verbinden. Auch heute pendeln sie täglich neben Container- und Fischerbooten zwischen der französischen und der englischen Küste hin und her. Seit Mitte November allerdings fahren nur noch britische Fähren.

Nachdem das Handelsgericht von Paris ein Konkursverfahren der französischen Fährschiff-Reederei SeaFrance mit 880 Angestellten eingeleitet hat, stellte diese vorübergehend den Betrieb ein, aus Furcht um die Sicherheit von Passagieren und Belegschaft - denn einige Mitarbeiter waren so erbittert über ihr nahendes Aus, dass sie mit Versenkung einer Fähre drohten. Der Anwalt der Seefahrer-Gewerkschaft CFDT maritime Nord, Philippe Brun, nannte den Stopp "skandalös", eine "Politik der verbrannten Erde". Ein Teil der Belegschaft besetzt seither aus Protest die Schiffe.

Wenn rabiate Aktionen von um ihre Jobs bangenden Angestellten in Frankreich auch nicht selten sind, von der Geiselnahme der Firmenbosse bis zur Sachbeschädigung in Unternehmen - diese Drohung schreckte doch auf. Und dürfte SeaFrance eine Rufschädigung einbringen, die einen Ausweg aus der Pleitegefahr noch unwahrscheinlicher macht. Seit Jahren schreibt es rote Zahlen, jetzt steht das letzte französische Fährunternehmen, das der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF gehört, endgültig vor dem Aus. Zu stark ist die Konkurrenz durch den Luftverkehr und die Schiene seit Eröffnung des Eurotunnels 1994, aber auch den britischen Marktführer P&O Ferries. Ansteigende Ölpreise und die Wirtschaftskrise 2008 hat die Branche zudem hart getroffen.

Die letzten Jahre waren bereits geprägt von Sparplänen und der Streichung von 725 Stellen, gegen die sich die Gewerkschaften heftig wehrten - die Streiks brachten SeaFrance weitere Verluste ein. Sie beliefen sich im vergangenen Jahr insgesamt auf 240 Millionen Euro. Eine Geldspritze durch die SNCF lehnte die EU-Kommission in Brüssel ab als "nicht vereinbar mit den europäischen Regeln der Kontrolle von Staatshilfen".

Abgewendet werden könnte die Auflösung lediglich noch durch eine Übernahme, doch die beiden vorliegenden Angebote, eines von der Gruppe Louis Dreyfus Armateurs (LDA) und der dänischen Gesellschaft DFDS und eines von der SeaFrance-Belegschaft selbst, hält das Handelsgericht bislang für nicht überzeugend. Während LDA-DFDS den Erhalt von nur 460 Arbeitsplätzen auf drei Schiffen vorsehen, mit dem Risiko neuer sozialer Konflikte, will die Belegschaft alle 880 Stellen retten - ein Finanzierungskonzept hingegen fehlt.

"SeaFrance geht es schlecht, aber es kann es nochmal packen. Wir wollen ein moderneres Schiff kaufen, einen besseren Service einführen und die Preise heben. Wir haben ein echtes Projekt", argumentierte zuvor der Gewerkschafts-Generalsekretär Stéphane Hunetz. Ein eingesetzter Vermittler ist vorerst gescheitert. Bis 12. Dezember können nun noch neue Angebote eingehen - dann sollen auch die Fähren wieder den Betrieb aufnehmen. Zumindest bis 28. Januar, wenn diese endgültig ein letztes Mal zwischen Dover und Calais fahren könnten. Es sei denn, der rettende Anker kommt doch noch.

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