Fürther Filmemacher, die sich lange Recherchen leisten

1.1.2011, 10:00 Uhr
Fürther Filmemacher, die sich lange Recherchen leisten

© Thomas Scherer

Die „Tellys“ im Regal haben Staub angesetzt. Schließlich gibt es für Thomas Steigerwald und Julia Thomas Wichtigeres zu tun, als sich auf den vier Fernsehpreisen der letzten Jahre auszuruhen. Gerade schneiden sie den nächsten Film, Nachtschichten vor zwei großen Bildschirmen inklusive.

Thema sind die „Laubfrösche“, ein Waldkindergarten in Erlangen-Kosbach. Ein Jahr lang haben die Fernsehmacher die Gruppe begleitet und schildern die ambitionierte Idee, die realen Schwierigkeiten, die Personen. Gedreht haben sie schon viele Tage. Und jetzt soll das alles in wenige Minuten gefasst werden – genauer: eine knappe Viertelstunde, die der Medien Praxis an wöchentlichem Sendeplatz zur Verfügung steht. Längere Filme werden zu Mehrteilern.

Im Durchschnitt produzieren Steigerwald und Thomas (mit vier weiteren Autoren) zwölf neue Sendungen pro Jahr, 2010 allerdings waren es 16. „Wir haben die absolute Freiheit zu machen, was wir wollen“, sagt Thomas Steigerwald und lehnt sich zurück. Was das ist? Immer stehen Menschen bei den aufwendigen Produktionen im Mittelpunkt. Auch bei den Reportagen über soziale Themen und Missstände und lokale Ereignisse. Ihre Filme zeigen das Leben hochbegabter Kinder, die Fürther Kirchweih, den Komödianten Volker Heißmann und fränkische Biobauern oder den Protest der Gräfenberger gegen die Nazi-Aufmärsche. Zum Beispiel.

Vier Drehtage für eine Viertelstunde Fernsehen

In der Öffentlichkeit sieht man Thomas Steigerwald (55) meist mit der Kamera auf der Schulter, die zarte Julia Thomas (41) hält den langen Mikrofongalgen und lauscht konzentriert in die Kopfhörer. Für eine Viertelstunde Fernsehen rechnen sie vier Drehtage, für längere Filme entsprechend mehr. So viel Recherche ist Luxus. Die Medien Praxis leistet ihn sich – und nimmt dafür in Kauf, dass das eigene Einkommen schmal ist. Weil nun die Fördergelder zusammengestrichen werden wird es finanziell eng. Bessere Vermarktung – der Film übers Nathanstift, Fürths berühmte Geburtsklinik, liegt als DVD vor, Eigenproduktionen sollen Sendern in der ganzen Republik angeboten werden – ist eine Strategie, das Suchen neuer Arbeitsgebiete die andere.

Dabei möchte Medien Praxis am liebsten frei bleiben. Ein Wunsch, der im Biografischen wurzelt. Thomas Steigerwald hat Elektronik und Informatik studiert, ist außerdem Sozialpädagoge und kam in den 1980ern zum Filmen. Eine „Zeit, in der viel möglich war“: Der Verein „Geschichte für alle“ wurde damals gegründet, Frauennotruf und Frauengesundheitszentrum oder auch das schwul-lesbische Zentrum Fliederlich. In den Anfängen der Medienwerkstatt war Steigerwald dabei, gründete später das Medienzentrum Parabol. Seit 1990 existiert der Verein Medien Praxis, die Sendelizenz wurde 1995 erteilt.

„Mich hat fasziniert, dass man in die Öffentlichkeit bringen kann, was Menschen denken und fühlen“, sagt Steigerwald. Julia Thomas stieß 2004 dazu. Die studierte Kulturwissenschaftlerin hatte zunächst beim Radio gearbeitet, später in einem Berliner Castingbüro. Sie wählte Kandidaten für Gottschalks Bibeltest, die Lottoshow und Frauentausch aus. Nach acht Jahren hatte sie genug von „Blut, Schweiß und Tränen“, lernte im Urlaub Thomas Steigerwald kennen und übersiedelte nach Franken.

Eine Altbauwohnung am Fürther Stadtpark dient der Medien Praxis als Arbeitsraum, die Technik drinnen – Schnittcomputer, Kamera, Aufnahmegerät – ist nagelneu. Um mithalten zu können, wurde kräftig investiert. Und die Filmemacher greifen jetzt ein heißes Thema auf. In einer Trilogie erzählen junge Menschen, die aus anderen Ländern stammen oder zweite Generation der Einwanderer sind, was sie unter Heimat verstehen. Medien Praxis e.V. verspricht Überraschendes zur aktuellen Debatte.

Sendeplätze: Sonntag 18.15, 20.15 und 22.15 Uhr sowie Montag 14.15 Uhr im Fenster von Frankenfernsehen, über Satellit Astra 1F digital.