Internationales Gitarrenfestival: Faszination Flamenco

18.8.2013, 16:44 Uhr
Internationales Gitarrenfestival: Faszination Flamenco

© A. Pitsch

Genau wie der künstlerische Leiter Johannes Tonio Kreusch im Vorfeld. Bei den Eröffnungsreden erzählte er, dass er im Auto immer in die CDs möglicher Musiker fürs Festival hineinlausche, doch „Santiago Lara habe ich bis zum Schluss gehört“. Und an ein Gehen, bevor der letzte Ton verklungen war, war an diesem Abend nicht zu denken, auch nicht für Bürgermeister Robert Ilg, der das Interesse von BR und Süddeutscher Zeitung vor allem der Arbeit von Kreusch zuschrieb („das kommt nicht von ungefähr“), und Gloria Mínguez, Kulturreferentin der spanischen Botschaft in Berlin, die südländisches Flair in ihren Worten verbreitete.

Und dann kam er: Fast die ganze Zeit versunken in sein Spiel und mit geschlossenen Augen ließ Santiago Lara, der alle Stücke selbst komponiert hat, seine Gitarre zunächst einsam und verträumt durch die volle Dreifachturnhalle klingen. „Cueva del sonido“ war so einnehmend wie eine Geschichte, die einem erzählt wird. Egal ob bei „Caminos Nuevos“ oder „Un viaje por la vida“, das oft perlende, ausdrucksstarke Spiel im typischen Flamenco-Rhythmus wurde immer wieder von explosiven, fast aggressiven Momenten, die die charakteristischen Themen dieser andalusischen Musik - Wut, Trauer, Leid, Unerreichbarkeit der Liebe und Verlust - ausdrücken, in Form vom Griff in die vollen Saiten unterbrochen.

Die atemberaubende Fingerfertigkeit Santiago Laras begeisterte das Publikum, das durch gekonnt gesetzte Pausen und rasend schnelle Töne in Spannung versetzt wurde. Hatte sich das Stück dann gesteigert bis zum abrupten Schlussakkord, entluden sich diese Emotionen bei den Zuhörern in viel Applaus und „Bravo“-Rufen. Ganz der Flamenco-Tradition entsprechend begleitete Perico Navarro am Cajon den Chef des Trios, wechselten sich Gefühl und Power beispielsweise in der Rumba „La plata“ ab.

Piano statt Gesang

Doch auf den typischen Gesang, cante, wartete man vergebens. Stattdessen ersetzten das vollmundige, melodische Piano von Miguel A. López, das den Liedern bisweilen eine fast jazzige Note verlieh, sowie geschickte Einsätze von Becken und Rassel die sängerische Grundlage des Flamenco. Es entwickelte sich eine fesselnde Kommunikation der drei Instrumente, die um den „baile flamenco“ ergänzt wurde, sobald Mercedes Ruiz die Bühne betrat. Das komplexe Wechselspiel zwischen Gesang und Tanz fand nun stattdessen zwischen dem Trio und Ruiz statt, deren klackernde Schritte in höchster Geschwindigkeit und deren Körpertöne - sie nutzte Arme, Beine, Schnipsen und Klatschen (palmas) als Percussion - Teil der Musik wurden.

In enormer Körperspannung und mit einer unbeschreiblichen Präsenz aus Stolz, Eleganz und Leidenschaft präsentierte sie ein Feuerwerk an präzisen Stakkato-Schritten, Blicken und Gesten - melodisch, verletzlich, unnahbar, flehend. Wie in der Musik mischte sie zackige Fußtechniken, fließende Bewegungen wie Drehungen, Schleifen mit den Schuhen und die typischen Handdrehungen (floreos) und neue Elemente: Im engen Anzug konnte kaum jemand die Augen von Ruiz lassen, die seit 2003 gefeierte Soloprogramme gibt.

Wie sehr die Künstler diese Musik leben und lieben, war spätestens bei den Zugaben zu sehen, als Ruiz sich einfach klatschend unter die Instrumentalisten reihte. Locker und freudig, fast wie gejamt, wirkte der Flamenco hier. Kein Wunder, dass das Publikum diesen mitreißenden Abend mit nicht enden wollendem Applaus belohnte.

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