Friedrich-Ebert-Platz ist fertig

5.8.2011, 08:15 Uhr
Friedrich-Ebert-Platz ist fertig

© Stefan Hippel

Wer entlang der orangenen Bauzäune Passant(inn)en interviewt, ihr Missbehagen protokolliert und am Ende Nürnbergs ehemaliger Sozialreferentin Ingrid Mielenz in die Arme läuft, bekommt die perfekte Zusammenfassung aller gehörten Stimmen in den Block diktiert. Das sei eine furchtbare Betonwüste, sagt die 65-Jährige spontan und schaut sich fassungslos um, als sähe sie die Bescherung zum ersten Mal.

Klotzige U-Bahn-Ausgänge, ein massiver Aufzugturm („Muss das so hoch sein?“) und — Mielenz scharrt mit dem Fuß — dann noch dieses helle Pflaster. „Wissen Sie, wie das nach ein paar Monaten aussieht?“ Vor dem inneren Auge bekommt das jungfräuliche Weiß sofort hässliche Sommersprossen aus Kippen und Kaugummis.

Eine grüne Idylle habe sicher keiner erwartet, wo Autos, Straßenbahnen, Busse und U-Bahn kreuzen, sagt Mielenz, die in der Nähe wohnt und ahnt, dass sie sich’s mit ihrer unverhüllten Kritik mal wieder verderben wird mit ein paar Leuten in der Stadt. Egal, auch wenn ihr die Linie9 gerade davonfährt, sie setzt noch eins drauf, „Nürnberg kann keine Plätze“.

Konzert der Sachzwänge

Das lässt sich auch positiv ausdrücken: Nürnberg kann sehr gute U-Bahnröhren, perfekte und geräumige Ausgänge, an denen Feuerpolizei und Sicherheitsbeauftragte ihre helle Freude haben. Nürnberg kann auch Betonbrüstungen entlang der oberirdischen Haltestellen, die aussehen wie Panzersperren und noch dazu Kosten sparen, weil sie nie geputzt werden müssen.

Friedrich-Ebert-Platz ist fertig

Was Nürnberg offenbar (noch) nicht kann: Architekten rechtzeitig und gleichberechtigt mitsprechen lassen im ohrenbetäubenden Konzert der Sachzwänge. Ihnen viel mehr zuzubilligen, als „nur das Loch wieder zuzumachen“, wie es Josef Reindl, der Architekt des U-Bahnhofs Ziegelstein, einmal wütend formuliert hat. Schaut man auf den Friedrich-Ebert-Platz, könnte Ingrid Mielenz recht haben mit ihrem harten Satz, Nürnberg könne keine Plätze.

Was die Menschen am neuen Friedrich-Ebert-Platz schmerzt, ist längst ausgemacht. Es ist der verglaste Hauptzugang zur U3 im Westen, der sich transparent, aber doch brachial vor das Jugendstilhaus der HypoVereinsbank schiebt. Es ist der mächtige Fahrstuhlturm, dessen scheußliche braune Kappe ein Rauchabzug ist. Es sind die kürzlich erst vollendeten Pavillons von „Piknik Pide“ und „Mr. Bleck“, deren beige-braun gestreifter Alu-Fassade mancher schaudernd den Charme der 70er attestiert. Die Reihe der Gründerzeit-Fassaden dahinter wird urplötzlich zur unpassenden Staffage.

Friedrich-Ebert-Platz ist fertig

So viele Weltmetropolen hätten schöne, dezente U-Bahn-Stationen. Das sagt Benedikt Beithner vom Tui-Reisebüro am Kirchenweg, ein Weitgereister, der hier etwa an die Pariser Metro denkt. 30 Prozent Umsatz haben ihn die Jahre mit der Baustelle vor der Türe gekostet. Das Ergebnis findet auch er überdimensioniert, der Jugendstil gegenüber habe seinen Charme verloren. Doch Kaufleute schauen nach vorne, jetzt müsse es wieder aufwärtsgehen, sagt Beithner und freut sich auf die Einweihung im Herbst.

Schon vor vier Jahren, als die Kritik an den U-Bahnhöfen in der Kaulbach- und Schweppermannstraße immer lauter wurde, haben sich Stadträte aller Fraktionen mit Blick auf den benachbarten Verkehrsknotenpunkt reichlich Asche aufs Haupt gestreut. Hier sei viel schiefgelaufen, hieß es. Man wolle die U-Bahn-Pläne künftig eher auf den Tisch, alles besser koordinieren, um „Monstrositäten“ zu verhindern. Ob diese Reue Konsequenzen hat, wird sich zeigen. Die U-Bahn weiter zum Klinikum ist längst im Bau.

Ein wenig von dieser Katerstimmung schwingt mit, wenn Architekt Claus Mertenbacher vom für die Platzgestaltung zuständigen Büro Stößlein über den begrenzten Spielraum spricht, den so ein Projekt lässt. Bis auf den Zentimeter gibt der Planfeststellungsbeschluss von 2005 vor, wo ein Zugang oder ein Aufzug hinkommt, wie groß er sein wird, wie viele Treppen er haben muss.

Allein für die ungeliebte Glasrampe vorm Jugendstilhaus habe es zehn Entwürfe gegeben, bis man sich dann doch für den transparenten, aber höheren entschieden habe. Der lasse den schönen Altbau wenigstens durchschimmern. Mertenbacher: „Es gab auch eine flache Version. Aber das war ein Riesen-Brummer.“

Wer heute zu viel grauen Beton beklagt, wird sich bald wundern, wenn der Platz bunter wird. Denn die Stadtreklame hat auch ihre Ansprüche angemeldet, stellt Litfaßsäulen und Uhren mit viel Werbung auf. Die Architekten müssen auch dies schlucken, sagen aber offen: „Das ist uns ein Dorn im Auge.“

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