Supermaus! Forscher entdecken Element für Muskelwachstum

11.11.2011, 09:59 Uhr

Das Molekül wirke normalerweise wie ein Hemmstoff, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Cell“. Schalte man diesen Hemmstoff in Muskelzellen aus, entwickele sich das Muskelgewebe viel effizienter. Diesen Effekt habe man nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei Fadenwürmern beobachtet, sagen die Forscher. Er sei wahrscheinlich auch beim Menschen vorhanden. Das eröffne neue Möglichkeiten beispielsweise für die medizinische Behandlung von Muskelschwäche.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass der Hemmstoff NCoR1 für das Wachstum und die Entwicklung des Körpers unverzichtbar ist. Fehlt er bei Embryonen völlig, sterben sie. Dass es aber sogar vorteilhaft sein kann, dieses Molekül gezielt in nur einzelnen Zeltypen auszuschalten, zeigt sich jetzt in gleich zwei Studien.

„Wir haben die Mäuse damit zu Super-Marathon-Mäusen gemacht“, sagt Studienleiter Johan Auwerx von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne. Er und seine Kollegen schalteten den Hemmstoff mittels Genmanipulation in den Muskelzellen der Tiere aus. Diese Mäuse seien schneller und zweimal so weit gerannt, bevor sie Zeichen von Erschöpfung zeigten.

Eine nähere Untersuchung enthüllte, dass sich die gesamte Struktur des Muskelgewebes bei diesen Mäusen geändert hatte. Ihre Muskelfasern waren dichter und die Muskeln insgesamt größer, wie die Forscher berichten. Die einzelnen Muskelzellen hätten zudem mehr Mitochondrien enthalten. Da diese Zellbestandteile als die Kraftwerke der Zelle gelten, steht den Muskelzellen damit auch mehr Energie zur Verfügung. Negative Nebenwirkungen habe man nicht beobachtet, sagen die Wissenschaftler.

Sollte sich dieser Effekt beim Menschen bestätigen, eröffne er vielversprechende Möglichkeiten für die Medizin, meinen die Forscher. Wie sie berichten, suchen sie bereits nach einem Wirkstoff, mit dem sich das hemmende Molekül durch Genmanipulation gezielt dämpfen oder ausschalten lässt. „Man könnte dieses Mittel nutzen, um Muskelschwäche bei älteren Menschen zu bekämpfen“, sagt Auwerx. Auch ein Medikament zur Behandlung von erblich bedingtem Muskelschwund könne auf Basis dieser Entdeckung entwickelt werden.

Die Forscher sehen allerdings auch die Gefahr, dass ein solches Medikament missbraucht werden könnte. „Für die Anti-Doping-Behörden bedeutet dies, dass sie zukünftig überwachen müssten, ob solche Wirkstoffe dann nicht als Dopingmittel eingesetzt werden“, sagt Auwerx.  

Hemmstoff-Blockade in Fettzellen hilft gegen Diabetes  

Dass ein Ausschalten des Hemmstoffs NCoR1 auch in anderen Zellarten und Organen vorteilhaft sein kann, belegt eine zweite Studie im gleichen Fachmagazin. Für diese hatten Wissenschaftler die Bildung des Hemmstoffs in Fettzellen von Mäusen unterdrückt. Dies führte dazu, dass die Mäuse auch bei Übergewicht keine Anzeichen für Diabetes und andere Folgekrankheiten zeigten. „Die Zellen der Mäuse reagierten sensibler auf Insulin“, sagt der Leiter dieser Studie, Jerrold Olefsky von der University of California in San Diego.

Damit habe die Blockade des Hemmstoffs den gleichen Effekt wie gängige Medikamente gegen Alters-Diabetes – aber ohne deren Nebenwirkungen, konstatieren die Forscher. Die sogenannten Thiazolidindione machen Körpergewebe ebenfalls wieder empfindlicher für Insulin, führen aber oft zu Wasseransammlungen im Gewebe und Entzündungen im Körper. Wenn man einen Wirkstoff entwickle, der NcoR1 gezielt nur in den Fettzellen blockiere, könne dies auch zu neuen, schonenderen Diabetesmitteln führen, sagen Olefsky und seine Kollegen.

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