Gefahr aus dem Internet: Können Roboter Meinung machen?

11.1.2019, 14:23 Uhr
Der Hacker-Angriff auf Prominente und Politiker hat das Thema Datensicherheit wieder auf die politische Agenda gesetzt.

© Oliver Berg, dpa Der Hacker-Angriff auf Prominente und Politiker hat das Thema Datensicherheit wieder auf die politische Agenda gesetzt.

Ob Brexit-Referendum, US-Präsidentschaftswahlkampf oder Ukraine-Krise – immer wieder heißt es: "Social Bots machen Stimmung." Zuletzt veröffentlichte das Berliner Startup "Botswatch" eine Analyse, aus der hervorgehen soll, dass Social Bots das Stimmungsbild in der Diskussion um den Uno-Migrationspakt massiv beeinflusst haben sollen. Fast ein Drittel der deutschsprachigen Tweets sei demnach von Social Bots gesendet worden. "Diese Entwicklung macht mir große Sorgen", sagte der Unionsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus und stellte gesetzliche Regelungen in Aussicht.

Allerdings gibt es Zweifel – und zwar auf unterschiedlichen Ebenen: Experten geben zu bedenken, dass es nicht nur keine Belege für den Einfluss von Social Bots gibt, sondern üben auch Kritik an "Botswatch".

Für Florian Gallwitz, Professor für Medieninformatik an der TH Nürnberg, handelt es sich um eine Geisterdiskussion: Ihm sei nicht nur kein einziger Fall von Wahlbeeinflussung bekannt – er zweifelt daran, dass es diese "sagenhaften Social Bots" überhaupt gibt. Hinter Social Bots verbergen sich Softwareprogramme, die eigenständig und automatisch Aufgaben übernehmen. Während es durchaus nützliche Bots gibt, die beispielsweise das Netz nach Staumeldungen durchforsten, stehen im politischen Kontext vor allem die Bots in der Kritik, die in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook automatisiert Beiträge verbreiten und dabei explizit den Anschein erwecken, als handele es sich beim Verfasser um eine reale Person.

Gefahr aus dem Internet: Können Roboter Meinung machen?

© F.: A. Aslanidis

Die Theorie: Social Bots beeinflussen den öffentliche Diskurs, indem sie sich in hoher Zahl an Twitter-Diskussionen beteiligen und so Stimmungsbilder und Mehrheitsverhältnisse vortäuschen, die nicht der Realität entsprechen.

Dafür, argumentiert Gallwitz, müsse "ein gewisses Maß an Interaktion möglich sein". Diese Fähigkeit spricht er den Bots allerdings ab: "Nach meinem Kenntnisstand sind die Möglichkeiten automatisierter Dialoge überaus limitiert." Die heutige Technik, so der Medieninformatiker, sei einfach noch nicht so weit. Schon an sinnvollen Beratungsgesprächen scheitere die Technik "kläglich". "Einen Bot, der so intelligent auf seinen Gesprächspartner reagiert, dass er diesen in seinen politischen Überzeugungen beeinflussen kann, erwarte ich auch in den kommenden Jahrzehnten noch nicht."

Bots gelten als Weiterentwicklung sogenannter Trolle. Hinter Trollen verbergen sich Menschen, die oft gegen Geld Kommentare etwa zu politischen Debatten in großer Zahl auf sozialen Netzwerken posten und damit das Vorhandensein einer großen Gruppe von Unterstützern oder auch Gegnern vorgaukeln.

Ob sich Menschen auf diese Art überhaupt in ihrer Meinungsbildung beeinflussen lassen, ist nicht belegbar. 2017 verfassten 20 Sachverständige einen Bericht für die Regierung. Das Ergebnis: Man habe noch viel zu wenig Daten, um diese Frage beantworten zu können. Gallwitz glaubt, Fake-Profile seien dazu zu leicht zu erkennen. "Auf die physische Welt übertragen bedeutet das: Anstatt in einen leeren Saal hineinzurufen, füllen Sie den Saal mit Schaufensterpuppen. Für einen sehr flüchtigen Betrachter sieht es dann vielleicht so aus, als würde Ihnen jemand zuhören. Der direkte Effekt einer solchen Maßnahme auf die öffentliche Meinungsbildung ist aber offensichtlich begrenzt."

Wie viele Social Bots tatsächlich in den Netzwerken unterwegs sind, kann nicht genau beziffert werden. Experten bezweifeln, dass Bots überhaupt automatisiert aufgespürt werden können. Dieses Verfahren wird jedoch explizit von dem Berliner Startup "Botswatch" angeboten. Und so kommt auch "Botswatch" selbst nicht gut weg. Gallwitz bemängelt die Parameter, anhand derer das Berliner Unternehmen ein Konto überhaupt als Social Bot einstuft. Um ein sinnvolles Erkennungskriterium definieren zu können, sagt er, müsste erst ein "echter" Social Bot gefunden werden.

Das Unternehmen selbst verweist einerseits auf die Anwendung des von der renommierten Universität Oxford festgelegten Kriteriums, nach dem jeder Nutzer als Bot anzusehen sei, der mehr als 50 Tweets pro Tag absetze; eine Zahl, die Intensiv-User, aber auch Medienunternehmen problemlos überschreiten. Andererseits erklärt Geschäftsführerin Tabea Wilke aber auch, "Botswatch" habe zusätzlich einen "ganz eigenen Kriterienkatalog" entwickelt. Öffentlich einsehbar ist dieser allerdings nicht – Wilke verweist auf das Geschäftsgeheimnis. Auch könne man der Öffentlichkeit keinen der gefundenen Bots zeigen – dies würde gegen den Datenschutz verstoßen, sagt Wilke.

Vom wissenschaftlichem Standpunkt aus sind die Ergebnisse einer Analyse, bei der die Methodik nicht nachvollziehbar ist, unbrauchbar. "Weil weder die Studie noch die Methode veröffentlicht wurden, ist es unmöglich, die Zahlen zu interpretieren", sagt etwa Analyst Luca Hammer. Gallwitz fährt schwerere Geschütze auf. Er nennt die "Botswatch"-Analyse "unseriös" und spricht von einer "gezielt lancierten Quatschstudie ohne belastbare Daten". Zudem handele es sich bei dem Unternehmen um eine "windige" Quelle. Kritik übt er auch an den Medien: Diese haben die "Botswatch"-Meldung großteils unreflektiert weiterverbreitet: "Wie kann das sein?", fragt Gallwitz.

"Kein reiner Zufall"

Auch die Querverbindung von "Botswatch" zur CDU wirft Fragen auf. Geschäftsführerin Wilke sowie zwei weitere der insgesamt fünf Mitglieder des "Advisory Boards" sind laut Recherchen der Neuen Zürcher Zeitung CDU-Mitglieder. Dazu zähle auch der Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker, der Merkel-Kritiker mit "Säuen im Dreck" verglichen hatte. Kanzlerin Merkel und die CDU hatten sich nachdrücklich für den UN-Migrationspakt ausgesprochen. Die Tatsache, dass die Analyse über vermeintliche Stimmungsmache gegen den Pakt am Tag der Verabschiedung publik gemacht wurde, sei "kein reiner Zufall", sagt Gallwitz.

Insgesamt, so der Medieninformatiker, leide die ganze Diskussion unter der mangelnden Digital-Kompetenz in Berlin. "Es ist in der Tat ein Problem, dass vielen Politikern bei Digitalthemen jedes Verständnis für die Grundmechanismen fehlt. Insbesondere im Umgang mit den sozialen Medien führt das zu einem Gefühl der Bedrohung und zum Wunsch nach einer verstärkten Regulierung", sagt Gallwitz. Gleichzeitig eignen sich Social Bots zur "bequemen Erklärung für gesellschaftliche Fehlentwicklungen". Von der eigenen abweichende Meinungen auf "Manipulation durch finstere Mächte" zu schieben, halte er aber für unrealistisch.

Verwandte Themen


Keine Kommentare