Herrmann: "Wir brauchen keine Zäune an der Grenze"

14.9.2016, 18:31 Uhr
Herrmann:

© Michael Matejka

Herr Herrmann, Sie fordern strikte Grenzkontrollen. Ein Beispiel aus den Ferien: Bei vier Grenzübertritten bei Salzburg auf vier verschiedenen Wegen wurde nur einmal kontrolliert. Wie wollen Sie die Grenze konkret sichern?

Herrmann: Sie sprechen genau den Punkt an, den wir gegenüber dem Bund kritisieren. Ich verstehe unter Grenzkontrollen: Kontrollen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das heißt aber nicht – das hieß es vor 30 Jahren auch nicht –, dass jedes Fahrzeug gefilzt würde. Die Grenzbeamten haben ein gutes Gespür dafür, wen sie kontrollieren. Grenzkontrollen haben immer zwei Seiten – das eine ist die effektive Maßnahme, das andere ist die abschreckende und präventive Wirkung. Ein Beispiel: Polizeistreifen in Wohngebieten sollen ja einerseits Diebe fangen, andererseits soll ihre Präsenz von vornherein Leute davon abhalten, dass sie auf dumme Gedanken kommen. So wäre das an der Grenze auch. Nur das geschieht im Moment nicht. Bestimmte Grenzübergänge werden überhaupt nicht kontrolliert – und das in einer Situation, in der die Risiken evident sind.

Weiterführende Maßnahmen wie einen Zaun an der bayerisch-österreichischen Grenze schließen Sie aus?

Herrmann: Wir brauchen keinen Zaun an der Grenze. Unser Ziel ist ja nicht, auf Dauer auf Schengen, das eine große Errungenschaft für die Freiheit der Menschen ist, zu verzichten, sondern dass die EU-Außengrenzen geschützt werden. Wenn das erreicht ist, könnten wir auf die Ausweiskontrollen an den Binnengrenzen verzichten.

Söder: Im Prinzip ist es doch ein Drama, dass Europa nicht funktioniert. Ich selbst habe als junger Europaminister zusammen mit Günther Beckstein an der tschechischen Grenze Grenzpfähle abgebaut und so Schengen umgesetzt. Die Grundidee war: Außengrenzen sichern, dann können Binnengrenzen weg. Das funktioniert leider nicht. Wir brauchen echte Sicherheit. Der Schutz der Bürgerschaft ist die zentrale Aufgabe des Staates. Die Verhaftung der Islamisten in Schleswig-Holstein müsste nun eigentlich dazu führen, dass einige ihre Kritik an mir zurücknehmen. Denn ich habe unmittelbar nach den Anschlägen von Paris gesagt: Achtung, offene Grenzen können von Terroristen missbraucht werden. Die Befürchtung hat sich leider bestätigt. Ich muss da nichts zurücknehmen. Wir müssen unsere Grenzen selbst sichern, wenn es andere nicht schaffen.



Eine neue Umfrage sieht die Union bei 32 Prozent. Wie lange will die CSU in der Koalition noch querschießen?

Söder: Die Mehrzahl der Bürger ist doch mit dem, was seit einem Jahr passiert, nicht einverstanden. Sie wollen keine unkontrollierte Zuwanderung. Sie wollen keine multikulturelle Parallelgesellschaft und sie haben den Eindruck, dass Integration schon heute nicht richtig funktioniert. Selbst in Nürnberg stellen sich abends vor allem Frauen die Frage, ob sie noch U-Bahn fahren sollen. Neues Vertrauen gibt es aber nur mit einer neuen Politik. Deswegen ist der Satz "Wir schaffen das" nicht ausreichend. Man muss sagen: "Wir haben verstanden" und "Wir ändern das". Nur so wird glaubwürdige Politik gemacht.

Dann gibt es auch die Chance, die AfD zurückzudrängen. Dämonisieren und Verurteilen der AfD-Wähler ist kein Konzept. Wenn die CDU nach links rutscht, dann lässt sie Platz frei, und die AfD kann von ganz außen auf bürgerliches Terrain vorrücken. Das wäre dann der historische Fehler, den die SPD gemacht hat: Die SPD hat irgendwann entschieden, die Wähler links von ihr liegen zu lassen.

Die CSU fordert, Flüchtlinge mit christlich-abendländischem Hintergrund zu bevorzugen. Wo unterscheidet sich die CSU noch von der AfD?

Söder: Es ist doch leichter, einen Amerikaner zu integrieren als einen Salafisten aus dem Irak – wer das anders sieht, ist lebensfremd. Bei der AfD wird jede Forderung unseriös überdreht, und Funktionäre kommen aus Ecken, die nicht akzeptabel sind. Wir sollten in der Auseinandersetzung mit der AfD so reagieren wie auf die Republikaner: keine Kooperation mit der Partei. Aber natürlich die Probleme ernst nehmen, die die Menschen haben. Die AfD ist doch nichts anderes als ein Fieberthermometer. Die Ursache für ihr Erstarken ist, dass es evidente Probleme gibt, die die Bürger nicht ausreichend gelöst sehen. Dazu kommt noch etwas anderes – das hat mit dem Wort "alternativlos" zu tun. Wenn man jeden Lösungsansatz als "alternativlos" bezeichnet, führt das irgendwann dazu, dass die Bürger eigene Alternativen suchen. Manche auch eine Alternative für Deutschland.



Die CSU sieht sich als Stimme des Volkes. Hat die Kanzlerin umgekehrt den Kontakt zum Volk verloren?

Herrmann: Hinter den Kulissen sagt die Kanzlerin auch ganz klar: Die Situation vom Herbst vergangenen Jahres darf sich nicht wiederholen. Insofern ist ein gewisser Erkenntnisprozess unübersehbar. Aber bei der Kommunikation, beim Vertrauen der Menschen darauf, dass es sich nicht wiederholt, da klafft im Moment noch eine Lücke. Wir müssen als Union unmissverständlich klar machen: Wir werden es nicht dem Zufall überlassen, sondern durch konkretes Regierungshandeln dafür garantieren, dass sich diese Situation nicht wiederholt.

Söder: Dafür braucht es erstens eine Obergrenze, zweitens ein Rückführprogramm. Dass es Asylbewerber gibt, die Urlaub in ihrer Heimat machen, zeigt, dass es möglich ist, in bestimmte Gegenden zurückzukehren. Drittens braucht es ein Leitbild für Kultur, damit unsere Gesellschaft eine Chance auf Homogenität hat. Zu diesem Leitbild gehört auch Toleranz. Aber nicht für jene, die sich abgrenzen – durch Kleidung, durch mangelnde Akzeptanz der Verfassung und unserer Lebensweise.
 

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