Jamaika leidet an Horst Seehofers Schwäche

17.11.2017, 11:04 Uhr
Bleibt Horst Seehofer beim Thema Flüchtlingspolitik hart?

© Michael Kappeler/dpa Bleibt Horst Seehofer beim Thema Flüchtlingspolitik hart?

Wer sich krampfhaft an sein Amt klammert, will sich keine Schwäche leisten. Genau das macht Horst Seehofer bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin: Er möchte unter allen Umständen die CSU-Maximalpositionen durchsetzen und den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit zeitweiligem Schutz verhindern. Denn sonst, so fürchtet der angeschlagene Parteichef und Ministerpräsident, wird er zuhause noch mehr angreifbar sein als er derzeit schon ist. Er kämpft also ganz wesentlich um die Fortsetzung seiner eigenen Karriere.

Die Flüchtlingspolitik ist der wichtigste Grund, warum sich die Verhandler von Union, Freien Demokraten und Grünen in der vergangenen Nacht nicht auf die Rahmenbedingungen für eine Koalition einigen konnten. Differenzen gab es zwar auch noch beim Thema Finanzen - aber dieses Thema hat keinen quasi-religiösen Charakter und sollte deshalb im Prinzip lösbar sein.

Allerdings hat sich Horst Seehofer mit seiner rigorosen Verhandlungsführung in eine Situation manövriert, die für ihn nur negativ ausgehen kann. Große Teile der grünen Basis stehen einer Regierungsbeteiligung sowieso kritisch gegenüber; ein Ja dafür ist nur zu erwarten, wenn das rigorose Verbot eines Nachzugs aufgeweicht wird. Kompromisslinien gibt es durchaus - zum Beispiel, dass Ehepartner oder Kinder dann einreisen dürfen, wenn ein Flüchtling gut integriert ist und eine Stelle hat.

Lässt sich Horst Seehofer jetzt, nach dieser Nacht, darauf ein, sieht es aber erst recht genau nach jener Schwäche aus, die er unter allen Umständen vermeiden will. Die Zahl der Parteigliederungen, die ihn zum Rücktritt drängen und durch seinen Intimfeind Markus Söder ersetzen wollen, wächst dann weiter. Dass er sich im Amt halten kann, wird noch ein wenig unwahrscheinlicher.

Schwach in den Umfragen

Bleibt der CSU-Chef aber hart, sind Neuwahlen kaum zu vermeiden. Das mag Seehofer eine Verschnaufpause im Machtkampf verschaffen, vielleicht kalkuliert er sogar damit -  aber das gilt nur bis zum Tag der Abstimmung: Die Umfragen verheißen für die Christsozialen nichts Gutes, sie könnten sogar noch ein wenig schwächer abschneiden als im September. Und dann ist die Geduld der Partei mit ihrem Chef sehr schnell und sehr sicher zu Ende.

Bei der Fortsetzung der Jamaika-Sondierungen in Berlin entscheidet sich nicht nur, ob es zu diesem Regierungsbündnis kommt. Mit jeder Stunde, die sie weiter andauern, wird es für Horst Seehofer noch ein wenig schwieriger.

Verwandte Themen


18 Kommentare