Längst gescheitert

11.11.2015, 00:00 Uhr

Das Dublin-Abkommen, dem syrische Flüchtlinge wieder unterworfen werden sollen, ist gescheitert, genauer, es hat noch nie funktioniert. Und seine Reanimation wird auch jetzt nicht zur Reduktion der Flüchtlingszahlen beitragen, stattdessen aber neue Probleme schaffen, vor allem mit den europäischen Nachbarn.

Innenminister de Maizière ist dabei, ein Asyl-Versprechen seiner Kanzlerin nach dem anderen zu kassieren. Erst der gekappte Aufenthaltsstatus der Syrer, dann der erschwerte Familiennachzug, jetzt die Aussetzung des bislang privilegierten Prüfverfahrens — vielen Bürgern spricht de Maizière mit diesen Planungen wohl aus dem Herzen.

Zäune statt Verantwortung

Allein, die härtere Gangart wird nicht viel nützen. Denn um die Flüchtlinge in die Länder zurückzuschicken, in denen sie zum ersten Mal Boden der EU betreten haben, wie es das Dublin-Abkommen vorsieht, müssten diese Staaten sich ebenfalls wieder an die Dublin-Regeln halten. Die denken aber gar nicht daran, Asylbewerber ordnungsgemäß zu registrieren und damit die Verantwortung für diese Menschen zu übernehmen. Lieber bauen sie, siehe Ungarn und jetzt auch Slowenien, Zäune oder leiten die Flüchtlinge weiter in Richtung Deutschland.

Das kann man durchaus kritisieren — oder sich daran erinnern, dass Dublin schon immer eine politische Fehlgeburt war. Jahrelang stöhnten vor allem Italien und Griechenland unter den enormen Flüchtlingszahlen, die ihnen Dublin aufbürdete. Lampedusa und Tausende Menschen, die vor der Küste der kleinen italienischen Mittelmeerinsel jämmerlich ertranken, wurden zum Synonym für diese verfehlte europäische Migrationspolitik. Alle Hilferufe der Südländer verhallten ungehört, auch das reiche Deutschland sah keinen Grund, die Menschen aus den Auffanglagern zu sich zu holen. Nach Griechenland will die Bundesregierung zwar auch jetzt keine Syrer zurückschicken, was die Zahl der Betroffenen in der Praxis erheblich reduzieren dürfte. Aber auch Italien und die Balkanstaaten werden angesichts der schlechten Erfahrungen mit dem Dublin-Abkommen kaum begeistert auf den Vorschlag aus Berlin eingehen.

Wahrscheinlicher ist, dass es zu den von der Genfer Konvention verbotenen Kettenabschiebungen kommt: Die Flüchtlinge, mit denen sich Deutschland überfordert sieht, werden so lange von Land zu Land aus der Mitte an den Rand Europas weitergereicht, bis sie wieder in den Flüchtlingslagern an der türkisch-syrischen Grenze angekommen sind, aus denen sie aufbrachen. Das kann trotz aller deutschen Sorgen nicht die Lösung sein. Europa braucht neue, intelligentere Asyl- und Einwanderungsverfahren.

Doch statt diese in Brüssel einzufordern, hat Berlin in den vergangenen Tagen Chaos-Kommunikation betrieben. Erbärmlicher Höhepunkt: Die Nachricht, dass die Syrer wieder dem Dublin-Abkommen unterworfen werden sollen, wurde in die Trauer um den Tod von Alt-Kanzler Helmut Schmidt platziert — wohl in der Hoffnung, die Meldung würde untergehen.

Ehrlicher und intelligenter

In den Nachrufen auf Schmidt war viel von seiner Standfestigkeit die Rede. Von einer in seinen Augen richtigen politischen Entscheidung konnten ihn weder der Widerstand seiner Partei noch der Unmut der Bürger abbringen. Angela Merkel hat das in diesem Sommer auch probiert. Ihre Asylpolitik sollte ehrlicher und intelligenter sein als die bislang betriebene Abschottung — auch wenn das die Union und viele Bürger nicht verstanden.

Damit scheint es nun vorbei zu sein — entweder, weil Merkel eingeknickt ist oder de Maizière ihre Politik untergräbt.

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