Merkels "Ja" zur "Ehe für alle": Nicht wirklich demokratisch

27.6.2017, 09:41 Uhr
Merkels

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Irgendwie ist das typisch: Da gibt es einen handfesten politischen Streit - vor allem innerhalb der Unionsparteien. Denn SPD, FDP. Grüne und Linke machen allesamt die "Ehe für alle" sogar zur Bedingung für eine Koalition; die AfD ist gegen das Vorhaben (wobei manche an der Basis dort auch anders denken). Und CDU wie CSU sind gespalten darüber, ob künftig auch homosexuelle Paare eine rechtlich gleichwertige Ehe schließen können. Der Streit darüber ist nichts Ehrenrühriges, er  ist normal und gut für eine Demokratie.

Normal wäre es gewesen, wenn die Union das Thema in ihren Parteigremien geklärt hätte. Auf Parteitagen, vielleicht per Mitgliederbefragung - jedenfalls unter Beteiligung der Basis oder wenigstens der Funktionäre, mit ordentlichen Beschlüssen. Aber in Angela Merkels CDU ist wenig normal - da regiert die Parteichefin oft eher monarchisch, nach dem Motto: Die CDU, das bin ich.

So auch jetzt, bei der "Ehe für alle". Während eines Interview-Abends winkt die Kanzlerin das Thema quasi nebenbei durch. Was sie davon halte, wurde sie gefragt. Und sagte: "Ehrlich gesagt, bin ich ein wenig bekümmert, dass das jetzt so der Gegenstand von Parteitagsbeschlüssen und so plakativen Dingen, ähm, Beschlüssen ist." Es handele sich doch "um etwas sehr Individuelles", ergänzte sie. 

Und schlug dann gleich einen in der Tat naheliegenden Königs-(Aus)Weg aus dem Dilemma vor, das sich der Union sonst gestellt hätte: Wenn die Abstimmung im Bundestag über die "Ehe für alle" freigegeben wird, dann ist das Thema vom Tisch. Und durch: Es gibt dann, ohne Fraktionszwang und als Gewissensentscheid, eine überwältigende Mehrheit für das Vorhaben, etliche Unions-Parlamentarier werden zustimmen. Das kann eventuell sogar noch in dieser Legislaturperiode geschehen, die diese Woche zu Ende geht.

Konservative vor den Kopf gestoßen

Alles prima also? Nur vom Ergebnis her und nur für diejenigen, die für das Vorhaben sind. Denn erneut stößt Angela Merkel die durchaus vorhandene Gruppe der Konservativen in ihrer Partei (sofern sie die nicht schon verlassen haben) und im Land heftig vor den Kopf, indem sie deren Bedenken einfach beiseite wischt und das Thema quasi nebenbei während einer Talkshow für beendet erklärt. Ende der Wehrpflicht, Atomausstieg, eine eher sozialdemokratische Familien- und Sozialpolitik... die Liste von teils abrupten programmatischen Veränderungen ist lang, mit der die CDU-Chefin Teile ihrer Partei verärgert bis frustriert hat. Nun kommt ein weiterer Punkt dazu.

Merkel blickt auf Mehrheiten. Die hat sie mit diesem Projekt sicher. Aber der Frust bei Konservativen wird wachsen. Zumal die Kanzlerin nicht einmal den Versuch gemacht hat, inhaltlich für ihre Kehrtwende bei der "Ehe für alle" zu werben und zu begründen, warum sie da nun anders denkt als noch vor kurzem. Sie handelte wieder mal rein pragmatisch. Sehr salopp. Und nicht wirklich demokratisch. Schade.

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