Mitarbeiter von Alcatel-Lucent kämpfen um ihre «tollen Jobs»

2.2.2008, 00:00 Uhr
Mitarbeiter von Alcatel-Lucent kämpfen um ihre «tollen Jobs»

© Mark Johnston

«Ich bin völlig fertig», sagt Dave Hollis, der gerade aus der Betriebsversammlung kommt. «Zum Kotzen» findet Georg Hechler die Art und Weise, wie den rund 500 Teilnehmern der Betriebsversammlung in Nürnberg die Hiobsbotschaften per Videokonferenz überbracht wurden. «Sie haben in aller Ruhe Folie für Folie aufgelegt.» Reynaldo Zavala, Nürnberger Betriebsratschef mit Sitz im Aufsichtsrat in Stuttgart, nennt den Vortrag des Vorstands «extrem unergiebig. Es ist eine Frechheit, was die uns geboten haben.» Am Ende des Zahlensalats - so erzählt ein anderer - habe der Personalvorstand von Alcatel-Lucent Deutschland, Jürgen Pösinger, gesagt: «Es ist nicht schön. Wir müssen das machen.»

Personalabbau in zwei Wellen

Das «Unschöne» war schon am Tage der Aufsichtsratssitzung in nackten Zahlen bekanntgeworden. Das vor einem Jahr gestartete und im vergangenen Herbst noch einmal verschärfte Sparprogramm des Konzerns bedeutet für die Technologieschmiede in Nürnbergs Nordosten: In den zwei Wellen gehen 400 Arbeitsplätze verloren. Darin enthalten sind 130 Mitarbeiter, die mit Abfindungen bereits verabschiedet wurden. Unterm Strich sollen am Ende dieses Jahres von jetzt knapp 1000 Mitarbeitern noch gut 700 übrigbleiben.

Als besonders deprimierend empfinden es viele Mitarbeiter, dass ausgerechnet eine Zukunftstechnologie für die mobile Kommunikationswelt nach Frankreich abgezogen werden soll. Bisher sei Nürnberg innerhalb von Alcatel-Lucent der einzige deutsche Standort, wo unter anderem die Basisstationen für den dritten Mobilfunkstandard UMTS entwickelt werden. Damit soll bald Schluss sein. Alcatel-Lucent hatte nämlich vom kanadischen Hersteller Nortel die UMTS-Sparte erworben und sich so Konkurrenz für Nürnberg eingekauft. Trauriges Fazit: Der Nortel-Ableger in der Nähe von Paris bekommt den Zuschlag. Das bedeutet für rund 100 Arbeitsplätze in Nürnberg das Aus, folgern die Betriebsräte. Schon länger ist bekannt, dass die kleine, aber feine Nürnberger Dependance der Bell Labs nach Stuttgart abwandern soll. Auf die weltberühmten Bell Labs, amerikanische Kaderschmiede für zahlreiche Nobelpreisträger, war Lucent früher besonders stolz. Wo die anderen Stellen eingespart werden sollen, ist den Beschäftigten schleierhaft. Der Vorstand sei nicht näher ins Detail gegangen.

Her mit den Vorständen

Zavala macht das wütend und betroffen. «Wir verlangen, dass alle vier Vorstände hier persönlich erscheinen, um uns Rede und Antwort zu stehen.» Das war bei der Videokonferenz nicht möglich, die am Freitagmorgen gleichzeitig an verschiedenen Standorten von Alcatel-Lucent Deutschland abgehalten wurde. «Was würden Zwischenrufe und lautes Murren denn bringen? Kriegt ja eh keiner von den Oberen mit», sagt ein Entwickler. Deshalb wurde die Betriebsversammlung unterbrochen und soll nächste Woche fortgeführt werden. Dazu wird der Vorstand nach Nürnberg eingeladen.

Am Ende der Versammlung vor dem Alcatel-Lucent-Haupteingang an der Thurn-und-Taxis-Straße heult eine Sirene auf, das Licht auf dem rot-weißen, selbst gebastelten Leuchtturm dreht sich. Darüber hängt ein Trauerflor. Symbolik pur. Zavala erläutert sie: «Unser Know-how ist ein Leuchtfeuer für die Region. Wir haben tolle Jobs und kämpfen dafür, dass niemand sie uns wegnimmt.»

Dabei haben die Nürnberger von den kämpferischen französischen Alcatel-Kollegen gelernt. Mit Streiks und Demos hätten die Franzosen erreicht, dass manche vernichtende Entscheidung rückgängig gemacht wurde. «Mit Protestaktionen die Konzernspitze zu beeinflussen», sei nun auch in Deutschland das Ziel. «Sonst werden wir abgefrühstückt.»