Nürnberger Politiker Frieser: "Republik ist verwundbar"

24.8.2016, 19:03 Uhr
Nürnberger Politiker Frieser:

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Herr Frieser, warum bringt die Bundesregierung ausgerechnet jetzt eine neue Konzeption Zivile Verteidigung auf den Tisch?

Michael Frieser: Das war keine kurzfristige Entscheidung. 2012 wurde bereits beschlossen, die Konzeption auf die neuen Herausforderungen hin zu überarbeiten. Aber ich gebe zu, die jetzige Veröffentlichung so kurz nach den Anschlägen in Würzburg, Ansbach und dem Amoklauf in München kann den Eindruck erwecken, dass noch schnell ein Plan für den Ernstfall aus der Schublade gezogen werden muss. Der Eindruck aber, dass damit auf eine akute Terrorgefahr in Deutschland reagiert werden soll, ist falsch. Wir sind auch nicht mehr im Kalten Krieg, es geht nicht darum, wie man sich bei einem Angriff mit Atombomben verhalten soll.

Wo sind dann die Gefahren, die eine Überarbeitung der Konzeption erforderten?

Frieser: Wir leben in einer hochtechnisierten Welt. Es gibt kaum noch eine Einrichtung, die nicht durch Computersysteme unterstützt wird — im Verkehr, auf Straßen oder Schienen, in der Wasser- und Stromversorgung oder bei der Telekommunikation. An diesen Stellen sind wir verwundbar. Das Stichwort lautet "Cyberkriminalität", die Gefahr lauert im Netz, aus dem mit Angriffen gerechnet werden muss. Ein Beispiel: Im März erreichte die Stadtverwaltung im unterfränkischen Dettelbach ein Erpressungs-Trojaner, der das dortige Netzwerk lahmlegte. Die Kommune musste ein Lösegeld zahlen.

Was hat das mit dem Zivilschutz zu tun?

Frieser: Eine Menge. Viele Bürger verlassen sich darauf, dass die Infrastrukturen im Land dauerhaft funktionieren. Sie fragen sich nicht, was passiert, wenn plötzlich kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn kommt oder kein Strom aus der Steckdose fließt — und das unter Umständen mehrere Tage lang und nicht nur im eigenen Haushalt sondern viel großräumiger. Da bringt es nichts, mal eben beim kommunalen Energieversorger anzurufen. Der arbeitet mit Sicherheit auf Hochtouren daran, die Störung zu beheben.

Kann denn ein Cyber-Angriff das ganze Land lahmlegen?

Frieser: Ich glaube nicht, dass man über Netz-Attacken unser Land komplett zum Stillstand bringen kann. Wir sind aber verwundbar. Darüber muss sich jeder Mensch klar sein. Es sollte der Moment kommen, sich an den Küchentisch zu setzen und zu überlegen, ob ich für solche Fälle vorgesorgt habe.

Was sind denn aus Ihrer Sicht die Dinge, an die man denken sollte?

Frieser: Abgesehen von Trinkwasser und haltbarer Nahrung muss ich mich auch fragen, ob Batterien da sind. Oder: Gibt es im Haushalt überhaupt noch ein Radio, das mit Batterien betrieben werden kann? Wie sieht es mit Taschenlampen und Kerzen aus? Und hab ich noch Flickzeug für das Fahrrad? Das kann unter Umständen das einzige zuverlässige Fortbewegungsmittel sein. Auch der Arzneimittelschrank sollte mit den nötigsten Medikamenten und Verbandssachen bestückt sein.

Wenn man das so hört, kann das schon verunsichern ...

Frieser: Es geht aber gerade nicht darum, Angst zu machen, sondern sich in seinen eigenen vier Wänden sicher zu fühlen. Ich halte das Thema für sehr wichtig, den Ernstfall muss man dabei leider immer mitdenken.

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