Wie das NN-Interview mit Andrea Nahles unbrauchbar wurde

24.9.2018, 07:13 Uhr
Wie das NN-Interview mit Andrea Nahles unbrauchbar wurde

© Foto: Georg Escher

Donnerstagmittag: Die SPD-Chefin sagt einen Abendtermin in Feucht ab. "Dringende Terminverpflichtungen in Berlin" zwängen sie, den Abend zu canceln. Allen ist klar: Dahinter steckt der Protest vor allem aus der eigenen Partei im Fall Maaßen.

Donnerstagnachmittag: Wir fragen bei der SPD nach, ob es angesichts dieser Absage denn was wird mit dem Interview, das wir für Freitagvormittag mit Nahles in Nürnberg vereinbart hatten. Auskunft: Ja doch.


Nahles im NN-Interview: Situation ist mehr als schwierig


Freitag, 9.30 Uhr: Nachfrage bei der SPD-Pressestelle: Können wir das Interview im Wortlaut – den der Interviewte jeweils autorisieren, also für den Druck freigeben muss – angesichts der brisanten Lage doch schon in der Samstagsausgabe drucken anstatt, wie lange vor der Causa Maaßen geplant, erst am Montag? Nein, geht nicht, der Zeitplan bleibt, so die Auskunft. Was wir schwer nachvollziehen können, aber akzeptieren müssen: So sind die gängigen Regeln bei Wortlaut-Interviews in Deutschland.

Freitag, 10 Uhr: Ziemlich pünktlich fährt die SPD-Chefin vor der Redaktion vor. Auf dem Willy-Brandt-Platz gegenüber machen wir Fotos: Nahles und ihr prominenter Vorgänger, die Idee gefällt ihr.

Freitag, 10.10 Uhr: Mein Kollege Michael Husarek und ich führen für unser Online-Angebot auf nordbayern.de ein Video-Interview mit Nahles. Alles dreht sich um Maaßen und die Folgen – im "Deutschlandtrend" hat die AfD die SPD überholt.

Freitag, 10.15 bis 10.55 Uhr: Das Aufnahmegerät läuft beim Interview für die Zeitung. Auf Fragen, wie sie denn selbst mit dem Protest umgehe, antwortet Nahles erst nach langem Schweigen, knapp und sichtlich getroffen von der Wucht der öffentlichen Empörung. Und: Sie deutet an, dass sie zum Fortgang der Causa Maaßen nichts Konkretes sagen könne, es gebe dazu im Laufe des Tages mehr.


Koalition am Abgrund: Warum Nahles einen Brief schrieb


Freitag, 11 Uhr: Wir grübeln nach dem Interview: Was kommt denn da heute noch von Nahles? Kollege Dieter Schwab tippt das Gespräch ab, schickt es zur Autorisierung an die SPD-Pressestelle, die es auf den aktuellen Stand bringen, also auf eventuelle neue Nachrichten eingehen will. Auch eine solche Aktualisierung eines Interviews ist üblich.

Freitag, 16.03 Uhr: Jetzt wissen, wir, was Nahles meinte – die Eilmeldung ist da: Sie will den Fall Maaßen neu verhandeln. Und wir fragen uns angesichts dieser völlig neuen Situation: Ist unser Interview da überhaupt noch brauch- und druckbar?

Sonntag, 9.39 Uhr: Ist es nicht: Der SPD-Sprecher mailt, das Interview sei "extrem inaktuell" und "nicht mehr zu heilen". Die angepeilte Aktualisierung gibt es nicht. Sein Angebot: Wir könnten schriftlich Fragen an Nahles einreichen, die dann bis Mittwoch beantwortet würden.


Kommentar: Die SPD, eine Partei ohne Rückgrat


Sonntag, gegen Mittag: Wir lehnen dies ab. Schriftliche Interviews führen wir prinzipiell nicht. Also gibt es kein Interview mit Andrea Nahles.

Und wir fragen uns: Wieso hat sie, wieso haben ihre Berater uns nicht gleich am Freitag gesagt: Hört mal, da tut sich was, ein Wortlaut-Interview macht keinen Sinn, ich erläutere Ihnen im Hintergrund die Sache? Es war da ja jedenfalls für Nahles (aber nicht für uns) schon ganz klar absehbar, dass all das, was sie uns sagt, den Tag keinesfalls überleben wird.

Ende der Rekonstruktion eines gescheiterten Interviews. Unser Fazit: Professionelle Medien-Arbeit von Parteien sieht in der Regel anders aus.

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