Radeln und dabei viel schlauer werden

12.5.2018, 08:00 Uhr
Radeln und dabei viel schlauer werden

© Christian Häcker / Jena Kultur

Die Tour beginnt in der Ost-Boomstadt Leipzig. Hier studierte Nietzsche vier Jahre und machte die folgenreichste Begegnung seines Lebens mit dem Komponisten Richard Wagner. Weiter führt der Weg ins 30 Kilometer entfernte Röcken. Denn hier begann Nietzsches Leben und hier liegt er begraben. Auf dem Weg dorthin liegt am linken Ufer des Kulkwitzer Sees ein Radweg, der auf einer alten Bahntrasse direkt nach Lützen führt. Die Strecke ist schnurgerade und sehr flach. Selbst für ungeübte Radfahrer ist dieses flache Profil gut zu meistern, das durch eine idyllische Heidelandschaft mit etwas Ackerfläche, kleine Dörfer und hübsch sanierte Bahnhöfe führt, die heute meist Wohnhäuser sind. Ein rühriger Verein kümmert sich in Röcken ehrenamtlich um die kleine Gedenkstätte im von großen Kastanien beschatteten Pfarrhof. Hier kann man eine erste Rast in einem kleinen Landgasthof einlegen.

Schönburg erreicht man von Röcken aus Richtung Weißenfels und von dort auf dem Saaleradweg nach gut 25 Kilometern. Allerdings ist es nun nicht mehr so flach. Nachdem es zunächst Richtung Saale auf Rad- und Wirtschaftswegen bergab geht, ist die Strecke Richtung Naumburg entlang der Saale zwar traumhaft schön, aber eben auch recht bergig mit kurzen, knackigen Anstiegen und ebensolchen Abfahrten. Für die Mühen entschädigt der ständige Blick auf die schöne Saale. Und: Der Saaleradweg ist üppig bewachsen, was an sonnigen Tagen für reichlich Schatten sorgt. Schönburg ruht noch ganz in der Vergangenheit. Wie zum Beweis thront über dem Örtchen eine sehr gut erhaltene Burg - die Schönburg, einst Sitz der Naumburger Bischöfe. Hier gründete Nietzsche mit Gleichgesinnten einen Jungmännerbund.

Arme Kinder an der Fürstenschule

Fünf Kilometer entfernt von Schönburg liegt Naumburg mit dem berühmten hochmittelalterlichen Dom, wo Nietzsche 21 Jahre seines Lebens verbrachte. Den Naumburgern ist Nietzsche lieb und teuer. Sie errichteten ihm auf dem Holzmarkt sogar ein Denkmal. Vor den Toren der Stadt liegt, ebenfalls am Saaleradweg nach drei Kilometern erreicht, Schulpforta. Einst ein Zisterzienserkloster und später sächsische Fürstenschule, die aber auch begabten Kindern aus allen Schichten eine Ausbildung ermöglichte. Nietzsche war hier - von Sport und Mathematik abgesehen - ein beliebter und sehr guter Schüler. Der gesamte Komplex ist immer noch sehr gut erhalten, dient auch heute als Schule und kann besucht werden. Harry-Potter-Fans werden sich leicht an Hogwarts erinnert fühlen. In Schulpforta zeigte Nietzsche, was in ihm steckte. Unweit Schulpforta liegt Bad Kösen, ebenfalls auf dem hier flachen Saaleradweg zu erreichen. Das Städtchen ist eine gute Gelegenheit für eine Übernachtung. Zahlreiche Pensionen und kleine, idyllisch gelegene Hotels laden dazu ein.

Von Bad Kösen radelt man auf dem Saaleradweg nach Dornburg und von dort etwas bergig in den Wald hinein nach Tautenburg. Nietzsche verbrachte hier 1883 seinen letzten Sommer bei klarem Verstand. Aber wohl nur, weil er hier eine Frau traf - Lou Salomé, die ebenfalls ein paar Wochen urlaubte. Die beiden trafen sich täglich und wanderten auf einen Berg, wo der Heimatverein eine Bank hinstellte - die Nietzsche-Bank. Das Haus, in dem Nietzsche wohnte, steht noch, umkränzt von Gartenzwergen, die wohl in die Idylle passen. Zum Geist, der hier damals wehte, aber eher nicht. Immerhin fand Nietzsche hier Zeit, sein Werk "Die fröhliche Wissenschaft" fertigzustellen.

Radeln und dabei viel schlauer werden

© Klaus-Dietmar Gabbert / dpa

Von Tautenburg führt der Weg zurück zur Saale bei Dornburg und von dort immer den Saaleradweg entlang bis Jena. Leider ist die Strecke hier nur spärlich bewachsen, aber relativ flach. In Jena liegt die Irrenanstalt, in die Nietzsche nach seinem Zusammenbruch in Turin Anfang 1889 eingeliefert wurde. Die Biswangersche Anstalt steht heute noch - als Klinik für Neurologie und Psychiatrie der Universität Jena. Von Jena geht’s direkt über einen Radweg an der Bundesstraße entlang nach Weimar. Auf dem Weg kommt nach sieben Kilometern Großschwabhausen, wo Nietzsche 1897 landete, nachdem seine Mutter gestorben war.

In Weimar erwarb seine Schwester die Villa Silberblick und pflegte ihn dort - die Radler können in dieser kulturträchtigen Stadt wunderbar übernachten. Hier verbrachte Nietzsche die letzten drei Jahre seines Lebens, die Villa Silberblick beherbergt heute ein Archiv und eine Forschungsstätte zu seinen Ehren.

Nach Kirchscheidungen führt der Radweg recht bergig gut 50 Kilometer über Buttelstedt und Buttstädt nach Bad Bibra, immer wieder unterbrochen von Bundesstraßen. Hier verbrachte Nietzsche den Sommer 1857 bei einem befreundeten Pfarrer, der ihn auf die Aufnahmeprüfung in Schulpforta vorbereitete. Das Pfarrgehöft steht noch, ebenso die Kirche. Die Lage des Örtchens direkt an der Unstrut ist einfach nur idyllisch. Von Kirchscheidungen führt der Weg manchmal wellig, manchmal flach, über gut 15 Kilometer nach Laucha und von dort entlang des Unstrutradweges nach Freyburg an der Unstrut. Das kleine Winzerstädtchen ist ähnlich idyllisch wie Schönburg. Nietzsche war hier oft, besuchte die Neuenburg mit ihrem markanten Bergfried, dem dicken Wilhelm. In Freyburg ist wieder Zeit für eine Übernachtung.

Durch wunderschöne Auenlandschaft

Zurück nach Leipzig sind es von Freyburg gut 60 Kilometer. Der Weg führt via Saaleradweg durch das mittelalterliche Merseburg und von dort fast immer an gut ausgebauten Radwegen entlang der Weißen Elster und der Luppe durch eine wunderschöne Auenlandschaft.

Wer etwas Erholung von den Radstrapazen sucht, kann noch einen nördlichen Schlenker über den Geiseltalsee bei Mücheln und Merseburg über gut ausgebaute Radwege machen. Ein wirklicher Umweg ist das nicht. Auch der See lädt zu einer Übernachtung mit Ferienwohnungen und einem Zeltplatz ein.

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© Sebastian Willnow / dpa

Das Buch zur Tour: Frank Urbansky, Einmal Nietzsche und zurück, EnWiPo-Verlag, 9,99 Euro

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