Radfahren in der Schwerelosigkeit

25.3.2009, 00:00 Uhr
Radfahren in der Schwerelosigkeit

© Uni Erlangen-Nürnberg

Unlängst waren auch zwei Teams aus Erlangen an Bord einer Maschine des Typs A 300, die vom französischen Bordeaux aus startete und an vier Tagen die so genannte Mikrogravitation, den Zustand des freien Falls und der Schwerelosigkeit, für je 22 Sekunden pro Parabel aufrechterhielt. Mit der eingangs beschriebenen romantischen Vorstellung des Schwebens hat ein Parabelflug dagegen wenig gemein. Zunächst fliegt der Airbus mit Höchstgeschwindigkeit, bevor er zu einem Steigflug im Winkel von 47 Grad ansetzt. Die Triebwerke werden gedrosselt, die Maschine steigt kurze Zeit weiter und erreicht den höchsten Punkt, bevor sie in etwa gleichem Winkel zurück Richtung Erde fällt: Eine enorme Belastung für Mensch und Maschine. Zwischenzeitlich wirken Kräfte von doppelter Erdbeschleunigung auf die Insassen.

Neue Stoßdämpfer für Satelliten und Antennen erforscht

Prof. Thorsten Pöschel vom Lehrstuhl für Multiscale Simulation of Particulate Systems der Universität Erlangen-Nürnberg und sein Team waren mit dabei, als vor wenigen Wochen die 13. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Frankreich startete. Sie hatten das Ziel, mithilfe von Versuchen neue Stoßdämpfer für Satelliten, Flugzeugturbinen oder Antennen zu entwickeln. Pöschel und sein Team untersuchten, wie man Schwingungen mildern kann.

Auch der Erlanger Sportwissenschaftler Prof. Matthias Lochmann war an Bord der Maschine. Er setzte bei seinem Experiment einen medizinischen Schwerpunkt. So ging er der Fragestellung nach, wie sich der menschliche Körper in der Schwerelosigkeit verhält. Mit den Ergebnissen sollen vor allem Astronauten trainiert werden. Die Motorik sei dabei anders als auf der Erde, so Lochmann.

Bei den aktuellen Flügen wurde parallel getestet, ob auch im neuronalen Bereich Veränderungen stattfinden. Aus diesem Grund zeichnete ein Elektroenzephalogramm die Gehirnströme des Probanden auf. Der Untersuchungs-Teilnehmer hatte dabei 64 Elektroden auf der Kopfhaut und zehn an den Beinen. Ein Fahrrad wurde in ein Ergometer gespannt. Das Besondere der Apparatur war, dass die Pedalen nicht in einer 180-Grad-Stellung zueinander angebracht waren, sondern die Winkel freigegeben waren. «Die Erfordernisse an die Koordination sind dadurch sehr hoch», erklärt Lochmann. Er war bereits 2003 und 2004 an Bord einer Parabelflugmission.

In diesem Jahr war die Fragestellung ein wenig anders. Zudem wurde die Versuchsanordnung verbessert. «Wir hatten das Problem, dass die Probanden auf dem Fahrrad mit der Hüfte etwas weggedriftet sind», sagt Lochmann. Aus diesem Grund habe man dieses Mal die Versuchsteilnehmer fixiert. Lochmann hatte die komplette Verantwortung für das Gelingen der Mission und war auch für die Planung und Durchführung zuständig.

Die Auflagen bei solchen Flügen seien extrem hoch. So gebe es unter anderem einen 90-seitigen Katalog der Novespace zu beachten, um die Sicherheit der an Bord befindlichen Menschen zu gewährleisten. «Wir sind nun aber mehr als zufrieden mit der Durchführung», bemerkt Lochmann. Viele der Teilnehmer seien regelrecht begeistert von der Mission. Beim nächsten Mal hofft der Sportwissenschaftler, noch mehr Studenten mit in das Projekt einbinden zu können. Denn neben den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Instituts für Sportwissenschaft und des Lehrstuhls für Mustererkennung war auch ein Student an Bord der Maschine.

Zunächst sei es ein «ganz normaler Flug gewesen», erinnert sich Robert Christian Klam, der in Gießen Medizintechnik studiert. «Man fühlt sich ganz schön hilflos», fasst er seine Eindrücke zusammen. Das Flugzeug war so präpariert, dass die Insassen nicht nach außen blicken konnten. Der freie Fall führte bei Klam dazu, dass er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. An Bord der Maschine war Klam sowohl Proband als auch Assistent, denn er betreute die Messdurchführung. Zwei Kameras waren dabei an der Messanordnung befestigt.

Auf einem Fahrrad trat Klam in die Pedale, die Kameras zeichneten die Kurbelbewegung auf. Die Auswertung der Daten erfolgt nun in den kommenden Wochen. So wird zum Beispiel ermittelt, welche Gehirnareale zu welcher Zeit aktiv waren. «Die Parallelmessung ist dabei besonders wichtig», sagt Klam. Das heißt, alle Messungen fanden gleichzeitig statt.

Für den studierten Sportwissenschaftler und angehenden Medizinstudenten Klam war es der erste Parabelflug. Auf die außergewöhnlichen Erfahrungen möchte er künftig nicht verzichten. «Es besteht die Möglichkeit, auch in Deutschland vom Köln/Bonner Flughafen aus Parabelflüge zu machen», sagt er. Diese finden dann über der Nordsee statt.

Die Teilnehmer des Experiments berichten in Missionstagebüchern, wie sie die Tage in Frankreich erlebten. Im Internet nachzulesen unter: www.pfm.sport.uni-erlangen.de

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