Asylbewerber in Brand: Kämpfe, Konflikte und Rassismus?

22.3.2014, 18:00 Uhr
Werden die Asylbewerber in Brand systematisch schickaniert? Die Bewohner klagen - und wenden sich an Sozialministerin Müller.

© dpa Werden die Asylbewerber in Brand systematisch schickaniert? Die Bewohner klagen - und wenden sich an Sozialministerin Müller.

Der Tag von Wirtin Marion Hiller beginnt früh. Um 7.30 Uhr bereitet sie das Frühstücksbüffet zu. Wurst- und Käseplatten, Schälchen mit Butter und Honig. Nach dem Essen steht für die Asylbewerber aus Äthiopien, Somalia, Aserbaidschan, Iran und Irak Deutschunterricht an. Bis Marion Hiller das Mittagessen kocht, schwingt sie in den Fluren und Toiletten den Putzlappen.

Das Essen stellt die 46-Jährige vor Probleme: „Wir kaufen landestypischen Reis. Für unsere Äthiopier kochen wir extrem scharf. Manche mögen keinen Fisch, darauf nehmen wir Rücksicht. Und auch Schweinefleisch essen die meisten nicht. Für die machen wir Hühnchen.“ Abends gibt es für die Asylbewerber nochmals warmes Essen. Und wann ist Feierabend? „Bis die Küche sauber ist, wird es meistens 21 Uhr“, erzählt sie. „Oben lege ich dann noch Wäsche zusammen und bügele.“

13 Zimmer hat der Brandner Hof, in manchen Räumen leben einige Asylbewerber zusammen. Das größte Zimmer hat vier Betten. Vor drei Jahren stand dem Ehepaar Hiller das Wasser bis zum Hals, immer weniger Gäste kamen ins Wirtshaus. Dann kam die Anfrage des Landratsamtes Weißenburg/Gunzenhausen, und die Familie erklärte sich bereit, die Flüchtlinge zu bewirten – für 30 Euro pro Tag und Kopf.

Irgendwann flammten im Brandner Hof die Konflikte auf

Anfangs war für viele Bewohner das Ehepaar einfach nur „Mama und Papa Hiller“. Marion Hiller erledigte Fahrdienste, die nicht zu ihren Aufgaben gehören. Außerdem servierte sie Limonaden. „Dann wurden die Ansprüche immer größer“, erklärt Hiller. Sie fühlte sich ausgenutzt und trat auf die Bremse, Fahrten strich sie – und damit begannen die Beschwerden, sagt sie. Im Mai 2013 war es mit der Gemütlichkeit endgültig vorbei. Bewohner beschwerten sich bei ihren Lehrern und beschimpften Hiller als Rassistin. Eine Gruppe Äthiopier warf das Essen vor ihren Augen in den Müll.

Elisabeth Schwemmer vom Internationalen Frauencafé in Nürnberg unterstützt die Flüchtlinge in Brand, sie sagt: „Dass die Männer das Essen weggeschmissen haben, ist ein Akt der puren Verzweiflung. Sie brauchen keine Mama, sie fühlen sich bevormundet.“ Außerdem behandele die Wirtin die Männer unterschiedlich, je nachdem, wen sie mag oder nicht, so Schwemmer.

Marion Hiller, Wirtin vom Brandnerhof in Haundorf-Brand, bewirtet bis zu 30 Asylbewerber.

Marion Hiller, Wirtin vom Brandnerhof in Haundorf-Brand, bewirtet bis zu 30 Asylbewerber. © NZ

2013 kam mehrfach Besuch von Lebensmittelkontrolleuren und Landratsamt. Die Beschwerden bestätigten sich nicht. Zehn Afrikaner sind vergangenes Jahr in anderen Unterkünften untergebracht worden. Fünf Äthiopier sind noch immer im Brandner Hof. Wirtin und Asylbewerber sprechen bis heute kein Wort miteinander. „Eine beklemmende Situation“, sagt Schwemmer.

Im Oktober 2013 schrieben die Äthiopier ans Landratsamt und baten, in eine andere Unterkunft verlegt zu werden – ohne Reaktion. Im Februar folgte ein Schreiben an Sozialministerin Emilia Müller. Darin beklagen die Männer, nicht gehört, sondern missachtet zu werden. Schwemmer hofft, dass eine Antwort die Bewohner überhaupt erreicht, denn die Adresse ist „Brandner Hof“ und landet im Briefkasten von Marion Hiller.

Eigentlich ist die Regierung von Mittelfranken zuständig. Bisher sei eine Verlegung unmöglich gewesen – „aufgrund des nach wie vor sehr hohen Asylbewerberzugangs“, sagt Michael Münchow, stellvertretender Sprecher der Regierung von Mittelfranken. „Wir bemühen uns aber weiterhin, die betreffenden Personen in eine staatliche Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen umzuverteilen. Wegen der räumlichen Nähe zu Haundorf böte sich dabei eine Umverteilung in unsere Gemeinschaftsunterkunft in Gunzenhausen an. Auch dort sind die verfügbaren Plätze derzeit aber alle belegt.“

Doch nicht jeder ist unzufrieden, in dem ehemaligen Dorfwirtshaus zu leben. Amir ist seit rund sieben Monaten im Brandner Hof, in Aserbaidschan wurde der Professor für Philosophie politisch verfolgt. Er fühlt sich in Brand sehr wohl und hat sich mit ein paar Irakern angefreundet. Was das Essen betrifft, ist er pflegeleicht: „Mir schmeckt einfach alles.“

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