Liebevolle Bezugsperson für schwer kranke Kinder
15.08.2015, 08:00 Uhr
Ab 11 Uhr ist eine von fünf Kinderkrankenschwestern vor Ort, kümmert sich um den Jungen, sodass seine Mutter beispielsweise den großen Bruder aus der Krippe holen kann, und Zeit für ihn hat. „Die Schwestern sind toll“, erzählt die Mutter, sie schätzt nicht nur die fachliche Pflege, sondern auch deren tägliche Begleitung. Zwar konnte sie ihren Jüngsten erst im Alter von sechs Monaten nach Hause holen, da er aufgrund einer Stoffwechsel-Erkrankung zu schwach war, dennoch stand für sie außer Frage, die Pflege zu Hause stemmen zu wollen. Ohne Unterstützung von außen wäre es allerdings nicht gegangen, ihr Mann kommt beruflich bedingt spät am Abend nach Hause, die beiden Großmütter der Jungs sind berufstätig.
In der Klinik wurde ihr ein Kinderkrankenpflegedienst empfohlen, dann ging alles „total schnell“, sagt die Mutter. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit waren sie und ihre Familie im neuen Alltag angekommen. Dass es eine begrenzte Anzahl von Kinderkrankenschwestern gibt, die den Jungen betreut, gehört zum Konzept des Pflegedienstes, zu häufige Wechsel sollen verhindert werden, sodass sich die Pflegerinnen zu festen Bezugspersonen für das jeweilige Kind entwickeln können. Ins Leben gerufen wurde der Pflegedienst von Beate Ziegler, die als Kinderkrankenschwester mit Fachausbildung für Intensivpflege und Reanimation für Kinder zunächst in Kliniken gearbeitet hat.
Wertschätzung und Toleranz
Als ihr eigener Sohn geboren wurde, zog die Familie aufs Land, immer häufiger kamen Anfragen, ob sie die Pflege eines Kindes in dessen häuslichem Umfeld zeitweise übernehmen könnte. So gründete sie in Nordschwaben den Häuslichen Kinderkrankenpflegedienst, der erkrankte Kinder und Jugendliche ambulant betreut. In den vergangenen Jahren ist das Einzugsgebiet stetig gewachsen von Memmingen bis nach Bad Mergentheim und Nürnberg sowie in den hiesigen Landkreis hinein, dort soll die häusliche Kinderkrankenpflege weiter etabliert werden.
„Es reicht nicht aus, eine gute Kinderkrankenschwester zu sein“, setzt Beate Ziegler neben der fachlichen Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen auf deren soziale Kompetenz. Die besondere Herausforderung sei es, für die Familie da zu sein und sich doch eine professionelle Distanz zu bewahren. Den Familien Wertschätzung entgegenzubringen, tolerant zu sein und sich bei Bedarf zurückzunehmen. Auch die Eltern müssen sich erst zurechtfinden, gibt Beate Ziegler zu bedenken, die ihren Mitarbeitern ein dickes Lob für deren Engagement ausspricht.
Wie in Kliniken macht sich beim Kinderkrankenpflegedienst der Pflegenotstand bemerkbar. Nicht allen Anfragen kann entsprochen werden. Ganz schnell ging es dennoch auch bei einer anderen Familie im Landkreis. Deren Sohn kam zu früh und durch Komplikationen bei der Geburt mit einer Schädigung des Gehirns auf die Welt. Derzeit kann der Junge nicht schlucken, muss über eine Sonde ernährt werden und leidet unter epileptischen Anfällen. Da kurzfristig beim Pflegedienst ein Platz frei geworden war, konnte sich unmittelbar an den mehrwöchigen Klinikaufenthalt die Pflege zu Hause anschließen.
„Sie sind nur für ihn da“, ist die Mutter dankbar für die Unterstützung während der Nacht und zusätzlich an einigen Vormittagen. Zwar fiel es ihr zu Beginn schwer, jemand Fremdes in den eigenen vier Wänden zu wissen, bekennt sie. Seit die Familie in Absprache mit den Betreuerinnen einige Grenzen gezogen hat, ist dieses Hindernis aber genommen. Die Mutter schätzt die Begleitung und die Ratschläge, selbst wenn sie in Bezug auf ihren Sohn und dessen Erkrankung großes Selbstbewusstsein entwickelt hat. „Man muss immer stark sein für sein Kind“ und lernen, manchmal auch nein zu sagen, erzählt sie.
Als etwas „ganz Geniales“ beurteilt sie eine Errungenschaft, die sie mithilfe des Kinderkrankenpflegedienstes gemacht hat: Für einige Stunden pro Woche wird sie von einer Haushaltshilfe unterstützt, die ihr Freiraum gibt, zusätzlich für ihren Sohn da zu sein.
Diese Unterstützung der Familien durch eine hauswirtschaftliche Kraft ist für Beate Ziegler zu einer Herzensangelegenheit geworden. Auch bei Fachgesprächen im Bundestag konnte sie ihr Projekt bereits vorstellen, das unter anderem bei der ehemaligen Abgeordneten Marlene Rupprecht auf offene Ohren stieß.
Wertvolle Zusatzzeit
Wenn es nach Beate Ziegler ginge, könnten die Eltern als Ergänzung zur Pflege eine Haushaltshilfe beantragen, und damit wertvolle Zusatzzeit gewinnen, wenn die Mütter statt das Treppenhaus zu wischen, bei ihren Kindern sind. „Die Mutter macht die beste Pflege“, hat die Eltern-Kind-Beziehung in ihren Augen einen großen Stellenwert.
Nicht nur die pflegerische Kompetenz der Eltern würde dadurch gestärkt, so Beate Ziegler, sondern auch das Band zu den Kindern. Noch ist die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen die Ausnahme, in der Regel springt diese nur ein, wenn die Mutter selbst erkrankt ist. Aber der Kinderkrankenpflegedienst will sich weiter für eine Änderung einsetzen. Zumal von dem Freiraum auch Geschwisterkinder profitieren könnten, die sonst üblicherweise zurückstecken müssen.
Viele ihrer jungen Patienten der ersten Stunde begleiten die Mitarbeiter des Kinderkrankenpflegedienstes noch immer. Manche wechselten in dem Zeitraum an einen klassischen Pflegedienst für Erwachsene, nicht alle überlebten. Immer wieder aber erleben Beate Ziegler und ihre Mitarbeiter, dass die Pflege nach einigen Jahren nicht mehr notwendig ist, etwa weil sich eine Einschränkung verwachsen oder vermindert hat. Bei all den schweren Momenten sieht die Gründerin die Lichtblicke, wenn sie die Kinder groß werden sieht, und ist dankbar für die Möglichkeiten der Pflege: „Wir haben einen wahnsinnig schönen Beruf.“
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