Selbstversuch: Studenten leben eine Woche unter Armutsgrenze

18.11.2014, 21:45 Uhr
Die Vorsitzende und Gründerin des Vereins "Hand des Menschen - Kindern eine Zukunft geben e.V." Caroline zusammen mit Patenkindern in Swadhar/Indien.

© pr Die Vorsitzende und Gründerin des Vereins "Hand des Menschen - Kindern eine Zukunft geben e.V." Caroline zusammen mit Patenkindern in Swadhar/Indien.

Vor zwei Jahren haben die Bamberger Studentinnen Caroline und Ayla gemeinsam den Verein "Hand des Menschen – Kindern eine Zukunft geben e.V." gegründet. Caroline und Ayla verbrachten beide unabhängig voneinander einige Zeit in Indien. Dabei spürten sie an ganz unterschiedlichen Stellen, dass Hilfe von außen dort dringend notwendig ist. Sie wollten selbst aktiv werden und riefen gemeinsam den Verein ins Leben. "Schon bei der Gründung war uns klar, wir möchten mit diesem Verein eine Schule bauen", erinnert sich Ayla. Nun soll es soweit sein, im Dezember reist Caroline nach Indien, um die Verträge zu unterschreiben. Im Januar soll es dann endlich los gehen.

Um Mittel für den Schulbau aufzutreiben, werden Caroline, Ayla und zwei weitere Freiwillige sich unter anderem der Hungerhilfe-Kampagne "Live below the Line" anschließen und mindestens fünf Tage lang versuchen, von einem Euro am Tag zu leben. Verschiedene Projektpaten haben sich bereit erklärt, sie für jeden geschafften Tag mit Spenden zu belohnen. Der Grenzwert von einem Euro entspricht der absoluten Armutsgrenze, die von den Vereinten Nationen auf 1,25 US-Dollar pro Tag festgesetzt wurde.

"Uns ist klar, dass dieses Projekt uns nicht annähernd an die Zustände der Armen heranbringt, aber es wird schon in diesem kleinen Rahmen eine Herausforderung für uns bedeuten, von diesem Geld zu essen und zu trinken", erklären sie auf ihrer Facebook-Seite. Jeder von ihnen wird es auf seine eigene Art und Weise probieren.

Ayla hat ihren ersten Tag mit dünnem Kaffee und selbst gebackenem Brot begonnen. Denn Brot selbst zu backen bedeutet 66 Prozent Kostenersparnis, erklärt sie. Die Studentinnen müssen nun rechnen: Ihr Kaffee wiegt 8 Gramm und kostet sie 8 Cent am Tag, brauchen sie den wirklich und können sie sich ein solches Getränk leisten? Salz und Pfeffer kosten sie am Tag zwei Cent, die Breze vom Bäcker ist raus.

Studentinnen bauen Schule in Indien

Dieses Opfer bringen Caroline und Ayla zugunsten ihrer Initiative "Hand des Menschen" - ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Indien und Kenia. Caroline und ihre mittlerweile etwa 30 Kollegen vermitteln unter anderem Patenschaften. Zehn Euro im Monat genügen, um einem Kind den Schulbesuch und grundlegende Versorgung zu bieten. Im Zentrum steht jedoch das ehrgeizige Projekt, eine Schule zu bauen.

Vor dem derzeitigen Gebäude der Sandeep Special School in Sullia: Bei ihrem dreimonatigen Aufenthalt dort lernte Volunteer Charlotte (hinten links) Schule und Kinder kennen.

Vor dem derzeitigen Gebäude der Sandeep Special School in Sullia: Bei ihrem dreimonatigen Aufenthalt dort lernte Volunteer Charlotte (hinten links) Schule und Kinder kennen. © pr

Caroline flog noch im Gründungsjahr nach Indien, um sich dort nach einem geeigneten Partner für das Schulbauprojekt umzusehen. Nach einigen Rückschlägen lernte sie das Ehepaar Sadashiv in Sullia kennen: "Die waren null vorbereitet, wussten nicht, weshalb ich mich mit ihnen traf und stellten mir ihre Sandeep Special School vor."

Hunger und Vergewaltigung

Die Schule ist für Kinder mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung, deren Eltern meist den ganzen Tag auf den Feldern der örtlichen Gummiplantagen arbeiten. Während dieser Zeit sperren sie ihre Kinder häufig im Haus ein oder binden sie davor an. Nicht selten hungern sie dort oder werden Opfer von Sexualverbrechen.

Ayla (rechts im Bild) gemeinsam mit betreuten Kindern in der Sandeep Special School. Für diese Schule baut der Verein "Hand des Menschen", den Ayla zusammen mit Caroline gründete, ab Januar ein neues Gebäude.

Ayla (rechts im Bild) gemeinsam mit betreuten Kindern in der Sandeep Special School. Für diese Schule baut der Verein "Hand des Menschen", den Ayla zusammen mit Caroline gründete, ab Januar ein neues Gebäude. © pr

Derzeit findet der Unterricht für rund 20 Kinder in einem einzigen kleinen Raum statt. Die Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen sind zwischen 5 und 21 Jahre alt, werden von einer Lehrerin unterrichtet und können nicht individuell gefördert werden. Das wollen Caroline und der Verein nun ändern: Das neue Schulgebäude in Sullia soll Platz für 60 bis 70 Kinder mit Behinderung sowie mehrere Klassenzimmer bieten. Ein zusätzliches Internat soll auch denen, die den Schulweg nicht täglich zurücklegen können, den regelmäßigen Besuch ermöglichen.

Sponsoren zeigen, womit sie helfen

Das Grundstück für die Schule kauften die Sadashivs selbst. 50.000 Euro wird der Neubau mindestens kosten, 30.000 Euro hat der Verein dafür schon zusammen. Für die Einrichtung der Schule und des Internats kommen rund 6000 Euro hinzu. Um auch Kindern finanziell schwach gestellter Familien die Möglichkeit der Betreuung und außerdem eine Zukunftsperspektive zu bieten, ist der Besuch der Schule kostenfrei. "Wir sammeln in Bamberg unter anderem durch die Veranstaltung von Partys, oder Curry- und Glühweinabenden Spenden", nennt Caroline nur einige Beispiele. Darüber hinaus begeistern die Mitglieder Privatpersonen und Firmen von ihrer Arbeit. "Wir sind dankbar für jeden Cent und es ist uns wichtig, dem Sponsor auch zu zeigen, womit er hilft. Es ist daher möglich, einfach ein Bett für ein Kind zu kaufen oder einen Tisch, Stuhl, die Einrichtung eines Klassenzimmers. Jeder soll nach seinen Möglichkeiten helfen können", erzählt Caroline.

Der Verein will allerdings ganz bewusst nicht der Besitzer der Schule sein: "Wir möchten Berater sein, die Schule soll sich nach einer gewissen Zeit selbst tragen können. Es ist uns wichtig, statt Abhängigkeit Unabhängigkeit zu schaffen", fügt sie hinzu.

 

Zum Interview mit Caroline und Ayla zur Gründung des Vereins.

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