Eingemauerte Weltkriegs-Waggons: So geht es jetzt weiter

13.10.2018, 14:38 Uhr
Die Waggons wurden bereits abtransportiert und sind nun in einem Depot zwischengelagert.

© Christian Geist Die Waggons wurden bereits abtransportiert und sind nun in einem Depot zwischengelagert.

So genau angesehen hatte sich Jürgen Perras das Haus in Feucht beim ersten Besichtigungstermin gar nicht. "Da war so ein kleiner Kriechkeller, in dem alle Leitungen waren. Etwa 1,60 Meter war der Raum hoch, alles verrostet und voller Spinnweben – dagegen habe ich ein bisschen eine Phobie, da wollte ich nicht lange bleiben", erzählt der Abbruchunternehmer.

Er hatte zwar schon vom Eigentümer gehört, dass Eisenbahnwaggons in dem Haus verbaut waren, hatte aber damit gerechnet, dass nur ein Teil davon als Unterkonstruktion eingebaut worden war.

Völlig von den Socken war er deshalb, als sich nach und nach zwei komplette Waggons aus dem Haus herausschälten. Die etwa zehn Meter langen stählernen Kolosse standen auf einem gemauerten Fundament, das Fahrwerk war abmontiert, darunter befand sich der Keller.

"Historisch hoch bedeutsam"

Sogar die Seriennummer "57019" ist auf dem 1901 von der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinengesellschaft Nürnberg, der späteren MAN, hergestellten Waggon noch zu erkennen. "Es ist ziemlich sicher ein bayerischer Nebenbahnwaggon, der dann von der Reichsbahn verwendet wurde", meint Oliver Götze, Leiter des DB Museums. Unter Eisenbahnfreunden werden in Internetforen die Details schon heiß diskutiert.

"So einen Fall gab es noch nie – sonst hätten wir ihn schon längst aufgegriffen. Das ist historisch hoch bedeutsam. Wir freuen uns sehr, dass sich der Abbruchunternehmer entschieden hat, die Waggons zu erhalten", sagt Götze. Im DB Museum werde man sich die einzigartige Geschichte sicherlich merken, und auch Jürgen Perras will bald Kontakt zu den Museumsleuten aufnehmen.

Küche und Wohnzimmer im ersten Wagen

Der zweite Wagen wurde 1922 von der Waggon- und Maschinenbau AG Görlitz (Wumag) hergestellt. Beim ersten Waggon ist das Hakenkreuz unter dem Reichsadler, dem Zeichen der Deutschen Reichsbahn, übermalt, beim anderen ist es erhalten, wenn auch total zerkratzt.

Wenn man das nun abgerissene Haus in Feucht früher über eine kleine Treppe betrat, stand man sofort im ersten Waggon. Rechts war die Küche eingebaut, links das Wohnzimmer. Dann ging es weiter in den zweiten Waggon, der eine kleine Toilette, ein Bad und das Schlafzimmer enthielt.

Steile Treppe durch das Dach

In der Mitte war eine Öffnung in die Waggondecke gebrochen worden, durch die eine steile Treppe in das Obergeschoss führte, durch ein Loch im Boden wurde das Abwasserrohr der Toilette nach unten geführt. "Die kleinen Fenster der Waggons wurden zugemauert, dafür ist ein größeres, breiteres, eingefügt worden", erzählt Perras. Die Wände waren verputzt und mit altmodischen Papiertapeten verziert, der Boden war mit Holzdielen, Stragula und Teppich bedeckt.

Mittlerweile hat Perras die Waggons abtransportiert und in einem Depot abgestellt. In einem möchte er in Zukunft sein Büro einbauen, im anderen eine Sauna oder einen Chillout-Bereich.

Ehrenplatz für Fliegerbombe

An seinem 47. Geburtstag am Donnerstag konnte er sein Glück noch kaum fassen. "So etwas Außergewöhnliches wird mir nie wieder passieren", ist er sich sicher. Und das, obwohl schon einige Fundstücke einen Ehrenplatz bei ihm bekommen haben: die Hülle einer Fliegerbombe, die er auf einer Baustelle in Neumarkt gefunden hat, Granathülsen, historische Bücher, Abzeichen und sogar ein Dolch finden sich in dem kleinen Raum, den er extra dafür eingerichtet hat.

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