Comicfiguren und ein falscher Perser

27.9.2010, 22:59 Uhr
Comicfiguren und ein falscher Perser

© Harald Hofmann

Im Gegensatz zu seiner ersten Ausstellung am gleichen Ort mit großen Bildformaten und weiträumig verflochtenen Motiven und komplexen Kompositionen, beschränkt sich John Walter jetzt darauf, die einzelnen Zeichen und Motive seines malerischen Vokabulars in fast ikonenhafter Strenge und Vereinzelung vorzuführen. Dazu gehören Comicfiguren, Gesichter, merkwürdig zeichenhaft reduzierte Pflanzen, die allesamt aus dem Zusammenhang der großen Bilderzählung entnommen sind.

Sie alle haben ihren Ursprung in der Biographie des Künstlers, von Kindheitserinnerungen und Träumen bis zu alltäglichen Erlebnissen und Zitaten aus der amerikanischen Pop-Art. Sie beziehen sich aber auch – und da wird’s tatsächlich schwerer lesbar – auf spezifische Erscheinungen der englischen Alltagskultur. Allerdings haben der Künstler und seine Galeristen weder Mühe noch Kosten gescheut und der Ausstellung zum besseren Verständnis ein didaktisches Gerüst eingezogen. Das ist durchaus Parodie der allgegenwärtigen kunstdidaktischen Konzepte, weil es Zusammenhänge herstellt, ohne sie zu benennen. Andererseits gehört es gerade deswegen zur künstlerischen Substanz der Präsentation. Das beginnt im ersten Raum mit einer Bilderwand, in der Bilder nicht nur nebeneinander, sondern auch übereinander angeordnet sind. Nach dem Vorbild der so genannten Petersburger Hängung ist damit kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Einzelbildern vorausgesetzt. Er stellt sich natürlich trotzdem ein, da jedes Motiv eine ikonographische Bedeutung innerhalb des Gesamtwerks hat. John Walter ist ein gebildeter Maler und die Bilderwand auch Zitat der christlich-orthodoxen Ikonenwände, der Ikonostase, also gleichsam das Allerheiligste des Malers. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Goldgrund der Wand und den falschen Perser, auf dem sich der Besucher ihr nähert: angezogen und zugleich auf Distanz gehalten.

Ein zweiter Wegweiser ist das „Große Buch“, das auf 50 Gemälden, nach den Worten des Malers, den „Schlüssel“ zum Verständnis der Malerei „wie die Legende auf einer Landkarte“ enthält. Es liegt auf einem Lesepult zum Blättern bereit und führt den Besucher in den zweiten Teil der Bilderschau ein. Der entfaltet sich in der Intimität eines Wohnzimmers: nicht einmal die Hausbar fehlt. Die private Mythologie des Malers korrespondiert mit jener, die der Besucher, wie jeder Mensch, im Verborgenen mit sich herumträgt.