Ein Abschied vom Unerwarteten

21.7.2018, 15:30 Uhr
Ein Abschied vom Unerwarteten

© Udo Güldner

Lieber Peter Lichtenberger, nun haben Sie es also tatsächlich getan. Nach 194 Konzerten haben Sie ihr ehrenamtliches Engagement beendet.

Manch einer Ihrer Freunde, die wie Otti-Elisabeth Kliemann an Ihrer Seite für dieses kulturelle Aushängeschild ihrer Wahlheimat gekämpft haben, wird bis zuletzt gehofft haben, dass Sie es sich noch einmal anders überlegen. Sie aber sind sich treu geblieben — auch wenn das bedeutet, dass fürderhin solch beglückende Erlebnisse ausbleiben werden.

Als Sie 1983 begonnen haben, aus dem verschlafenen Marktflecken ein Zentrum klassischer Musik in Oberfranken zu machen, da besuchte ich noch den Kindergarten. So konnte ich die ersten zwanzig Jahre leider nicht miterleben. Es müssen spannende Zeiten gewesen sein, ein Experimentierfeld voller Überraschungen, ein Labor des Unvorhergesehenen. Seitdem ich in unregelmäßigen Abständen nach Neunkirchen durfte, habe ich Ihre bescheidene, unkomplizierte Art schätzen gelernt. Es ging Ihnen nie um sich, es ging Ihnen immer um die Musik. Deshalb wagten Sie immer wieder Liederabende, an die sich weit und breit kein anderer herantraute.

Das Publikum dankte es Ihnen, wie auch diesmal, als ein phänomenal präziser Georg Poplutz und sein einfühlsamer Begleiter Hilko Dumno sich einiger Schubert-Vertonungen annahmen. Auch als kleines Geschenk, währt Ihre Leidenschaft für den Komponisten doch bereits 55 Jahre.

Damals waren Sie 19 Jahre jung, lebten noch in Frankfurt und hörten die unvergessliche Elisabeth Schwarzkopf. Die Schubert-Lieder wuchsen Ihnen ins Herz. Dabei war auch das Finale im Katholischen Pfarrgemeindehaus symptomatisch für die letzten 35 Jahre. Jeder Besucher wurde persönlich begrüßt. Auch die "alten Weggefährten" wie Walter Forchert, ehemaliger Bamberger Symphoniker, oder die treuen Zuhörer Eilika Kuckuck und Barbara Ipsen. Eine geradezu familiäre Atmosphäre umfängt einen.

Plattform für den Nachwuchs

Die Künstler wandeln zwanglos unter den Zuhörern umher. Sie halten sich stets im Hintergrund. Auf der Bühne steht ein Bösendorfer-Flügel, den sie, mitsamt dem zugehörigen Klavierstimmer, extra für den Abend ausgeliehen haben. Wenn es um die Klangqualität ging, haben Sie nie auf den Euro geschaut, auch wenn das schon einmal vierstellige Beträge verschlungen hat. Finanzielle Rückschläge haben Sie gelassen hingenommen, Überschüsse stets an die Künstler weitergereicht. Aus der Not des kleinen Geldbeutels haben Sie eine Tugend gemacht und dem Nachwuchs eine Plattform geboten, um sich zu präsentieren und andernorts weiterzuempfehlen.

Das Armida Quartett, einst vier Musikstudenten aus Berlin, hat es Ihnen mit jährlicher Wiederkehr in die fränkische Provinz gedankt. Martin Funda (Violine), Teresa Schwamm (Viola), und das Ehepaar Johanna und Peter-Philipp Staemmler (Violine und Violoncello) könnten auch vor tausenden Zuhörern spielen. Sie tun es aber vor nicht einmal zweihundert - nur Ihretwegen.

Apropos Provinz: Dass die Künstler des Abends langanhaltenden Beifall bekommen haben, war mehr als verständlich angesichts der außerordentlichen Leistung, mit der das Beethovensche "Rasumowsky-Quartett" in seiner ganzen monumentalen Wucht in die Welt gesetzt wurde. Dass Heinz Richter als Bürgermeister Pfiffe und Pfui-Rufe erntete, ist wohl dem Umstand zu verdanken, dass die Lokalpolitik sich insgesamt nicht mit allzu viel Ruhm bekleckert hat, wenn es um die Unterstützung der "Neunkirchener Konzert" ging. Im Gegenzug vereinnahmte man aber gerne die Außenwirkung und den Imagegewinn für den Markt Neunkirchen am Brand. Ein Phänomen, dass nicht nur bei Ihnen zu beobachten ist.

Neue musikalische Gefilde

Die Besuche im südlichen Landkreis Forchheim waren immer auch Gelegenheiten, neue musikalische Gefilde zu erkunden. Sich auf die "Schottischen Lieder" Ludwig van Beethovens – in englischer Sprache! - einzulassen, von denen selbst erfahrene Musikfreunde noch nichts gehört hatten.

Sich von Sergej Prokofjews unvollendetem Streichquartett über kabardinische Themen in den Kaukasus und dessen wilde Volkstänze entführen lassen, bis einen der Rhythmus übermannt. Diese Begegnungen mit dem Unerwarteten, für Konzertveranstalter naturgemäß ein Wagnis, werden der Region, werden mir fehlen.

Auf ein hoffentlich kammermusikalisches Wiedersehen im von Ihnen gegründeten und auch weiterhin betreuten Felix Müller-Museum in Neunkirchen am Brand freut sich Ihr. . .

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