Erlangen: ,Es darf nicht Alt gegen Jung geben‘

4.9.2017, 06:15 Uhr
Erlangen: ,Es darf nicht Alt gegen Jung geben‘

© Fotos: Ralf Rödel

Die Idee war gut: Wenn alle neun Direktkandidaten des Erlanger Bundestagswahlkreises 242 an einem Tisch sitzen und vor und mit Bewohnern des Wohnstiftes Rathsberg sowie Interessierten von außen über Seniorenpolitik diskutieren, dann könnte das eine spannende Veranstaltung werden.

Dass es das am Freitagvormittag in der Einrichtung in der Rathsberger Straße nur bedingt wird, lag vor allem an einem Moderator, der so einer großen Runde nicht gewachsen war. Nicht nur, dass Martin Schwarzott die Bundestagskandidaten viel zu lange reden ließ ohne richtig nachzufragen. Auch vor Anbiederungen an den AfD-Mann Paul Viktor Podolay machte der Journalist nicht halt: "Sie pendeln für Ihren Wahlkampf manchmal mehrmals in der Woche zwischen München und Erlangen, das ist so ein großes Engagement, das finde ich wirklich toll", sagte er. Wenn Schwarzott dann sogar noch die Entscheidung der anwesenden Redakteurin, ob es sich bei der Debatte überhaupt um etwas Berichtenswertes handelt, mit dem Satz vorwegnimmt: "Eine Zusammenfassung können Sie in den Erlanger Nachrichten lesen", dann hat er seine Kompetenz weit überschritten. Wenn trotz dieser unglücklichen Moderation die Diskussion für das Publikum doch noch einigen Mehrwert brachte, war das den acht Direktkandidaten Britta Dassler (FDP), Christian Enz (Freie Wähler), Stefan Müller (CSU), Jürgen Purzner (Piratenpartei), Florian Reinhart (ÖDP), Anton Salzbrunn (Die Linke), Martina Stamm-Fibich (SPD) und Helmut Wening (Bündnis 90/Die Grünen) zu verdanken. Sie nutzten ihren Auftritt vor mehreren Dutzenden Zuhörern nämlich nicht in erster Linie als Wahlkampf-Plattform. Vielmehr lag ihnen eine sachliche Auseinandersetzung zur Renten- und Seniorenpolitik am Herzen. Nur AfD-Kandidat Podolay nutzte das Podium, um das wichtige Thema Rente und Altersvorsorge zur reinen Polemik gegen Asylsuchende zu missbrauchen.

Da ließ Stamm-Fibich mit ihrem Einwurf nicht lange auf sich warten. So wies die Bundestagsabgeordnete, die am 24. September erneut auf ein Mandat hofft, auf den bereits vorhandenen Fachkräftemangel hin: "Wir werden qualifizierte Menschen in dem Land brauchen, die uns auf dem Arbeitsmarkt unterstützen." Allein in den nächsten 15 Jahren gingen mit der "Babyboom-Generation" viele in den Ruhestand. "Diese Debatte", stellte die Sozialdemokratin klar, "darf so nicht geführt werden. Damit nur Angst vor anderen Menschen machen zu wollen, ist der falsche Weg."

Die 52-Jährige, die unter anderem Mitglied im Gesundheitsausschuss ist, warnte dabei nicht nur vor Attacken gegen Ausländer, sondern ebenfalls vor einem Ausspielen der Generationen gegeneinander: "Wir dürfen nicht zulassen, dass in dieser Frage Jung gegen Alt gegeneinander aufgebracht wird."

Der Parlamentarische Staatssekretär und Bundestagsabgeordnete, Stefan Müller, wollte vom demografischen Wandel nicht, wie Moderator Schwarzott in den Raum geworfen hatte, von einem "Schreckgespenst" sprechen. Das Problem sei nicht, dass es künftig zu viele Senioren gebe, sondern zu wenige Kinder geboren würden. Künftig werde es daher weniger Beitragszahler und umso mehr -empfänger geben.

Piratenpartei-Kandidat Purzner plädierte da für die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und ÖDP-Mann Reinhart möchte die gesetzliche Rente wieder mehr gestärkt sehen. Ganz im Gegensatz dazu FDP-Politikerin Dassler: Sie appellierte an alle Arbeitnehmer, pro Monat im Schnitt zehn Euro für eine zusätzliche private Vorsorge im Alter zurückzulegen. Einig waren sich indes (fast) alle in einem Punkt: Pflegeberufe müssten mehr anerkannt und vor allem besser bezahlt werden.

Nicht ganz so viel Einigkeit herrschte am Abend bei einer Veranstaltung von DGB und Bündnis für den Frieden im E-Werk zum Antikriegstag am 1. September. Die Direktkandidaten der vier im Bundestag vertretenen Parteien stellten sich den Fragen des Ex-NN–Redakteurs Wolfgang Mayer zur Außen- und Sicherheitspolitik.

So forderte etwa Salzbrunn ein Ende der deutschen Beteiligung an Auslandseinsätzen. Auch Wening möchte zur Stabilisierung von Staaten lieber unabhängige Organisationen unterstützen. Stamm-Fibich und Müller stimmten dem bei, sagten aber als Mitglieder des Bundestages: "Ja, wir haben Militäraktionen zugestimmt, uns die Entscheidung aber, so wie alle anderen, niemals leicht gemacht."

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