Erlanger Montessori-Schule wird 25 Jahre alt

14.11.2018, 15:00 Uhr
Erlanger Montessori-Schule wird 25 Jahre alt

© Harald Sippel

Der Weg von der Montessori-Schule zur Stephani-Sporthalle ist nicht weit. Man kann ihn in wenigen Minuten zurücklegen. In der Stephanihalle ist das Kletterzentrum des Alpenvereins untergebracht. Die Schule, die über keine eigene Turnhalle verfügt, darf dort stundenweise hinein. Klettern ist ein Angebot des Ganztagsunterrichts – ein Angebot, das gut ankommt bei den Schülern. Bouldern im Überhang? Kein Problem, bei einigen Kindern klappt das schon hervorragend. Andere kommen mit einem leichteren Schwierigkeitsgrad besser zurecht. Aber Spaß macht es offensichtlich allen, sich an den bunten Griffen empor zu hangeln.

Den Eindruck, dass die Erlanger Montessori-Schule eine Schule ist, die Freude macht, bekommt man nicht nur beim Kletterunterricht, der ja nicht zu den Kernfächern gehört. "Man wird nicht nur nach der Leistung bewertet, sondern als Mensch — nach den inneren Werten", sagt Neuntklässlerin Nina Gerlach. Wenn eine Schülerin so etwas sagt, geht Montessori-Pädagogen das Herz auf. Denn dieser Satz bringt auf den Punkt, worum es in der reformpädagogischen Schule, in der in den ersten acht Klassenstufen auf Noten verzichtet wird, im Kern geht: Der lernende und sich entwickelnde Mensch steht im Mittelpunkt. Im Gespräch mit Vorstand Karin Reif und Schulleiterin Sandra Schumacher wird schnell deutlich, dass ihnen genau das am allermeisten am Herzen liegt.

Nina Gerlach wiederum hat für ihre "Große Arbeit", die jeder Montessori-Schüler und jede Schülerin zum Ende der achten Klasse machen muss, eine Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum konzipiert. "Die Große Arbeit", sagt Sandra Schumacher, "ist das, was uns als Montessori-Schule ausmacht. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten ein selbstgewähltes Thema, das ihren Stärken entspricht." Die Arbeit setzt sich aus einem praktischen und einem theoretischen Teil sowie dessen Präsentation vor der gesamten Schulfamilie zusammen. Mit eingebunden sind Mentoren, die die Schüler sich aussuchen. In Nina Gerlachs Fall waren dies Bettina Sandmann, Mitarbeiterin einer PR-Agentur, bei der die Schülerin im Praktikum die Idee fürs Erstellen der Festschrift bekam, und die frühere Konrektorin Franziska Vogler.

Letztere gehört auch zu den 28 Interviewpartnern — von Schülern über Lehrer bis zum Hausmeister — , die Nina Gerlach zu verschiedenen Aspekten der Schule befragte und in der Festbroschüre zu Wort kommen lässt. "Die Montessori-Pädagogik geht von einem Menschenbild aus, das jeden Menschen in seiner Eigenart als einzigartig begreift, achtet und respektiert. Von daher verbieten sich manipulative Einflussnahme und Bewertung", fasst Vogler die Lehrerperspektive zusammen. Eine Mutter wiederum lobt: "Ganz wichtig ist auch die positive Haltung der Lehrer, sie sehen beim Schüler die Stärken und konzentrieren sich nicht nur auf die Schwächen, so wie wir es in der Regelschule erlebt haben". Und ein ehemaliger Schüler bewertet positiv, "dass jeder so lernen und arbeiten durfte, wie er es zu dem jeweiligen Zeitpunkt benötigt hat. Dadurch, dass es erst zur 9. Klasse Noten gab, hatten wir diesen Stress damals noch nicht. Stress hat man während dem Arbeitsleben noch genug".

Noten — und den damit verbundenen Stress – gibt es in der Montessori-Schule Erlangen inzwischen allerdings nicht mehr nur zum Ende der neunten Klasse mit dem qualifizierten Mittelschulabschluss. 2008 wurde die erste zehnte Klasse eingerichtet. Im gleichen Jahr wurde die Montessori Fachoberschule in Nürnberg gegründet, deren Hauptgesellschafter die beiden Montessori-Vereine in Erlangen und Nürnberg sind. Im letzten Schuljahr wurde dort die 13. Klasse eingeführt, so dass im Jubiläumsjahr der Erlanger Schule nun der durchgängige Weg von der ersten Klasse bis zur Hochschulreife möglich ist.

Das haben sich, so kann vermutet werden, die Initiatorin Waltraud Häusinger und die sechs anderen Gründungsmitglieder noch nicht vorstellen können, als sie 1991 den Verein "Montessori-Pädagogik Erlangen e. V." ins Leben riefen. 1992 startete dann schließlich die Schule, die heute von 360 Schülern besucht wird, mit 16 Erstklässlern in angemieteten Räumen der Grundschule an der Brucker Lache. Nachdem der Verein 1995 die Erweiterung zur Hauptschule beantragt hatte, reichten die Räume nicht mehr, so dass eine Klasse im Förderzentrum in der Liegnitzer Straße einquartiert wurde. 1996 schließlich erwarb der Verein das heutige Schulgebäude und Grundstück im Röthelheimpark — ein finanzielles Wagnis. Weitere Stationen in der Historie der Schule waren der Umbau des Altbaus und die Errichtung eines Erweiterungsbaus von 2010 bis 2013, eine Umstrukturierung auf Vereinsebene, ab 2015 die Einführung des gebundenen Ganztags und der "Jugendschule" auf einem Grundstück in Uttenreuth und damit die Umsetzung von Maria Montessoris "Erdkinderplan".

"Fertig" ist die Schule damit aber nicht. Im Moment wird eine erweiterte Schulleitung aufgebaut. Außerdem wird die Einrichtung ab nächstem Schuljahr zur Modellprojektschule für Inklusion, wissenschaftlich begleitet von der Universität München.

Das Fest zum 25-jährigen Jubiläum war Gelegenheit zum Rückblick. Dabei habe sich gezeigt, dass die Schule "nicht als Insel", sondern als ein in der Stadtgesellschaft verankerter Ort wahrgenommen werde, sagen übereinstimmend Karin Reif und Sandra Schumacher. Das hat sie besonders gefreut.

 

 

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