Fremdheit im scheinbar Vertrauten

12.1.2013, 00:00 Uhr
Fremdheit im scheinbar Vertrauten

© Harald Hofmann

Es sind 75 kleinformatige Öl- und Aquarellskizzen, Zeichnungen und Collagen – Letztere immerhin schon mit einem höheren Materialaufwand belastet –, die vordergründig dem Nürnberger Maler als Motiv- und Materialsammlung dienen mögen. Im Zusammenhang der Ausstellung erweisen sie sich aber zugleich als Stationen einer Reise im Kopf, die eigene serielle Schwerpunkte setzt.

Keine fernen Kontinente oder meerbespülten Archipele drängen sich auf. Der Betrachter kann seine geographischen Kenntnisse getrost zu Hause lassen. Sie nützen ihm nichts, so wenig wie die Erinnerung an eigene Urlaubsreisen. Der Maler ist nicht gesonnen, ihm Erlebnisse des déjà vu zu vermitteln. Ihm geht es einzig darum, die Fremdheit im scheinbar Vertrauten zu entdecken.

Alles Gegenständliche beschränkt sich auf das Unscheinbare, auf die unentdeckte Alltäglichkeit: Blumen und Bäume, die nicht mehr am Wegesrand wachsen, Vögel, die in leeren Himmeln kreuzen, Landschaften, die auf den Begriff „Gegend“ reduziert sind, Häuser, für die es keine Umgebung mehr gibt. In allem, was penibel an Sichtbarem aufgezeichnet wird, ist schon der Abstraktionsprozess formuliert, der aus der gewöhnlichen Wirklichkeit in die fremde Wirklichkeit der Bilder führt.

Wenn sich die Malerei das Sensationelle der Landschaft zum Thema nimmt, tritt sie sogleich als Parodie und Zitat auf. Eine Serie von Collagen entwirft ein Motiv aus dem Hochgebirge, das sich ausschließlich aus Foto-Fragmenten zusammensetzt. Zum Teil wieder übermalte Silhouetten, die sich zu wechselnden Weltlandschaften schließen, dabei aber die Illusion eines geschlossenen Bildraumes streng vermeiden: Die collagierte Bergwelt steht isoliert vor einem leeren Himmel.

Wie in der Landschaft wird auch im Figürlichen die kompakte Körperlichkeit einer weiblichen Figur, die offenbar aus einem Modejournal entnommen ist, vollkommen — und zwar keineswegs nach anatomischen Gesetzen – zerlegt und als Collage in einem malerischen Zusammenhang neu montiert. Ihre Körperfragmente sind auf ironische Weise neu kostümiert.

Durch den Abstraktionsprozess werden die Erscheinungen der wirklichen Welt, seien es reale Motive oder Vorstellungen, fragmentiert. Aus der Isolierung der Details ergibt sich die Notwendigkeit, eine neue Bildeinheit zu gewinnen, die selbstverständlich auch eine neue Wirklichkeit darstellt: eine vieldeutige Zeichenwelt, in der auch die Erinnerung an den Gegenstand ihre eindeutigen Konturen verliert. Diese schatten- und raumlose Welt des Nebeneinander ist der fernöstlichen Malerei der Japaner und Chinesen vertraut, die das wirkliche Ziel von Udo Kallers Kopfreisen ist.

Udo Kaller: Reisebilder. Galerie des Kunstvereins, Hauptstraße 72. Bis 2. Februar, Di., Mi., Fr. 15 bis 18 Uhr, Do. 15 bis 19 Uhr, Sa. 11 bis 14 Uhr. Internet-Infos:

www.kunstverein-erlangen.de

 

Keine Kommentare