Grippewelle: Uniklinik Erlangen schlägt Alarm

18.2.2015, 12:00 Uhr
Grippewelle: Uniklinik Erlangen schlägt Alarm

© Guilia Iannicelli

Von dem bunten Faschingstreiben auf den Straßen bekommt Martin Raithel nichts mit. Ebenso wenig wie die diensthabenden Ärzte und Pflegekräfte in der internistischen Notaufnahme. Erschöpft sitzt der Leiter am späten Nachmittag in einem Besprechungszimmer und redet sich den Frust von der Seele: „Wir sind am Limit“, sagt der Oberarzt. Seit rund zwei Wochen, erzählt der Mediziner, suchen so viele Patienten die Ambulanz auf wie nie zuvor. Hochphasen gebe es saisonbedingt immer. Aber noch nie hätten Krankheitswellen so lange angehalten wie jetzt.

Krankenpfleger Wilfried Stütz, immerhin bereits seit 20 Jahren dabei, hat so etwas jedenfalls noch nie erlebt: „Es nimmt kein Ende, die Patienten stehen vor unserer Tür.“ Das dürfte noch länger so weitergehen.

Denn Oberarzt Raithel sieht keinen Grund zur Hoffnung. Im Gegenteil. „Das Plateau ist noch nicht überschritten.“ Bereits am vergangenen Donnerstag hatte sich das Erlanger Universitätsklinikum wegen Überfüllung von der Notversorgung abgemeldet. Soll heißen: Die Rettungskräfte wurden angewiesen, keine Patienten mehr in die Erlanger Ambulanz zu bringen.

Auch am Faschingsdienstag haben sich weit mehr als die durchschnittlich 30 Patienten pro Tag in der Ambulanz des Uniklinikums eingefunden: Viele mit Influenza, also Grippe, aber auch Kranke, die an bronchitischen Infekten oder Ohren- und Stirnhöhlenentzündungen leiden. Solche Patienten könnten zum niedergelassenen Haus- oder Facharzt gehen, meint Raithel: „Aber hier gibt es ein Problem: Sie bekommen keinen Termin.“

Verschärft wird die Situation in der Notaufnahme noch dadurch, dass gerade jetzt so dringend benötigtes Personal ausfällt: Ärzte und Pfleger, die sich ebenfalls wegen Grippe oder Erkältungskrankheiten abmelden. Raithel selbst versucht, sich mit Honig und ausreichend Flüssigkeit gegen die Erreger zu wehren. Es seien sogar schon geimpfte Kollegen an dem Virus erkrankt, erzählt er. Der Mundschutz, mit dem sich einige Mitarbeiter vor Ansteckung schützen wollen, reicht nicht immer aus. Dazu kommt Stress, der das Immunsystem zusätzlich schwächt.

Einige Ärzte hätten bereits Schichten von bis zu 15 Stunden hinter sich, berichtet Raithel. Manche würden selbst dann arbeiten, wenn sie sich nicht ganz fit fühlten. „Finden Sie am Wochenende mal einen Ersatz“, sagt Oberarzt Raithel — und die Verzweiflung ist ihm deutlich anzumerken. In solchen Situationen mache sich die ohnehin dünne Personaldecke bei Ärzten und Pflegekräften besonders bemerkbar, betont Raithel.

Zum personellen Engpass kommt ein materieller hinzu. Der Vorrat an so genannten Einzelboxen, in denen hoch infektiöse Patienten getrennt von anderen Notfall-Patienten versorgt werden können, werden knapp. Die Folge: Ein Grippe-Kranker liegt womöglich direkt neben einem Tumor-Patienten.

Die Zimmer in der Ambulanz sind ohnehin schon tagelang überbelegt. Krankenbetten auf dem Flur und (aus der Ebola-Phase stammende) rote „Fieberzone“-Schilder zeigen, wie schlimm die Lage ist: „Wir haben Land unter“, sagt Raithel, „die Situation ist dramatisch.“

Diese Worte erinnern stark an den Weckruf, wie ihn kürzlich Kollegen in Nürnberg und Fürth, in die Öffentlichkeit sandten. Dort hatten die beiden großen Krankenhäuser in der Metropolregion in einer eilends einberufenen Pressekonferenz Alarm geschlagen: Die Notfallaufnahmen waren Ende vergangener Woche an ihre Grenzen gestoßen. Von Erlangen war da aber noch keine Silbe zu hören.

So können Sie sich vor Grippe schützen: Tipps vom Leiter des Erlanger Gesundheitsamtes, Peter Lederer.

Keine Kommentare