Kirchenasyl: Ermittlungen gegen Erlanger Pfarrer

16.4.2017, 06:00 Uhr
Kirchenasyl: Ermittlungen gegen Erlanger Pfarrer

© Harald Sippel

Die Predigt für den Sonntag hat Bernd Hofmann noch nicht ganz im Kopf. Aber vielleicht geht es in seinen Osterbotschaften um 5.30 Uhr und um 9.30 Uhr um Unterdrückung und Flucht – und um Nächstenliebe im besten christlichen Sinn. Vielleicht erblickt der Pfarrer der evangelischen St.- Matthäus-Kirche in seinen Reihen dann auch die Eheleute Sara und Dawit, die beiden äthiopischen Asylsuchenden, denen er gemeinsam mit einem tatkräftigen Helferkreis seit Mitte Januar diesen Jahres in dem Gotteshaus in der Rathenaustraße Unterschlupf bietet – nicht als "Akt des zivilen Ungehorsams", wie der Theologe sagt, sondern "als Zeichen der Mitmenschlichkeit."

Vorstellig bei der Polizei

Auch die bayerische Staatsregierung sah ein Kirchenasyl bisher mehr als eine humanitäre Geste denn als Widerstand gegen die Staatsgewalt. Das aber hat sich in den vergangenen Monaten drastisch geändert. Immer mehr Fälle werden bekannt, in denen die Staatsanwaltschaft gegen Pfarrer ermittelt, die ihre Gemeinde- und Gotteshäuser öffnen für Asylbewerber und sie so - zumindest zeitweise - vor einer Abschiebung bewahren.

Pfarrer Hofmann hat deswegen kürzlich ebenfalls bei der Polizei vorsprechen müssen, auch gegen ihn läuft ein oder, genauer gesagt, laufen drei Ermittlungsverfahren. Eines bezieht sich auf einen Ukrainer, dem der Theologe und viele Unterstützer neun Tage lang Unterschlupf in einem Zimmer im Gemeindehaus gaben. Die zwei anderen "Fälle", die Hofmann angelastet werden, sind die beiden Christen Sara (21) und Dawit (24).

Da die zwei als erstes europäisches Land Italien betreten haben, müssten sie nach der Dublin-III-Regelung dort einen Asylantrag stellen. Doch Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die meisten Flüchtlinge in dem südeuropäischen Staat in der Obdachlosigkeit landen. Das aber woll(t)en Pfarrer Hofmann und Ingrid Kagermeier, die Sprecherin des Helferkreises, den beiden ersparen. Auch deshalb, weil Sara schwanger ist.

Wer die beiden sieht, wie sie in dem zu einer Wohnung umfunktionierten Bürozimmer am Tisch sitzen und von ihren schlimmen Erlebnissen in der Vergangenheit und ihrem schönen Ereignis in der Zukunft, der Geburt ihres Kindes, berichten, der weiß, weshalb sich der evangelische Pfarrer und die praktizierende Katholikin in Absprache mit dem Kirchenasyl-Koordinator der evangelischen Landeskirche Theo Reichel für das Paar entschieden haben.

Es war nicht die Hungerkrise, die die zwei in einer riskanten Odyssee aus dem Staat im Nordosten Afrikas über das Mittelmeer bis nach Europa fließen ließ, sondern die politische Lage. "Ich war Mitglied in einer Oppositionspartei und bin für meine Aktionen auch zwei Mal im Gefängnis gelandet", erzählt Dawit in Amharisch, der bedeutendsten Verkehrssprache in seiner Heimat. Sein Landsmann Shimels D., ein bereits abgelehnter Asylbewerber, überträgt die Sätze sofort in einwandfreies Deutsch.

Geburtstermin im Juli

Um einer weiteren Haftstrafe zu entgehen, habe er Äthiopien verlassen müssen, sagt Dawit. Und Sara ergänzt: "Wenn wir zurückkehren, passiert etwas Schreckliches." Deshalb wollen und können die zwei nicht zurück, selbst wenn sie dort Bethlehem, ihre kleine Tochter, zurücklassen mussten.

Schon bald kommt das zweite Kind auf die Welt, Geburtstermin ist der 11. Juli. "Bis dahin wohnen die beiden hoffentlich in einer richtigen Unterkunft", sagt Ingrid Kagermeier vom mehrköpfigen Helferkreis, der das Paar in den vergangenen drei Monaten versorgt und betreut hat.

Denn seit einigen Tagen ist das Kirchenasyl für die zwei zu Ende, Sara hat vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits den Bescheid erhalten, dass sie in Deutschland Asyl beantragen kann. Wie auch immer die Entscheidung der Behörden ausfällt - Pfarrer Hofmann bleibt dabei: "Ich stehe hinter dem Kirchenasyl und werde es immer wieder so machen - einschüchtern lasse ich mich nicht."

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