Leiter des Comic-Salons: "Attentat betrifft die ganze Gesellschaft"

9.1.2015, 07:38 Uhr
Leiter des Comic-Salons:

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Das Attentat auf die Redaktion der französischen Satire-Zeitung Charlie Hebdo betrifft die ganze Gesellschaft und beschäftigt die ganze Medien- und Kulturlandschaft, nicht speziell die Comic-Szene. Die ermordeten Zeichner Cabu, Tignous, Charb und Wolinski waren Stars in Frankreich. Im Gegensatz zu Deutschland sind der Comic und die gezeichnete Satire, die Karikatur, tief in der französischen Gesellschaft verankert. Jeder kennt in Frankreich Charlie Hebdo. Eine vergleichbare gesellschaftliche Bedeutung haben Comics und Karikaturen in Deutschland nicht. Daher sind viele Franzosen nicht nur grundsätzlich betroffen und schockiert von dem, was in Paris passiert ist, sondern fühlen sich persönlich betroffen. Das meint der Slogan „Je suis Charlie“(„Ich bin Charlie“).

Natürlich gibt es auch zwischen dem Internationalen Comic-Salon Erlangen und den ermordeten Mitgliedern der Redaktion von Charlie Hebdo enge Verbindungen. Ich selbst kannte die Opfer zwar nicht persönlich, der langjährige künstlerische Berater des Internationalen Comic-Salons und Kurator der wichtigsten Ausstellungen des Salons, Paul Derouet — selbst Franzose, der in Deutschland lebt — aber natürlich schon. Vor allem mit Georges Wolinski, der vor einigen Jahren mit dem Großen Preis von Angoulême, dem wichtigsten Comic-Preis in Europa ausgezeichnet wurde, war er eng befreundet. Auch in unserer Arbeit haben wir natürlich immer wieder Berührungspunkte mit Charlie Hebdo gehabt.

Das Thema Mohammed-Karikaturen beschäftigt den Internationalen Comic-Salon spätestens seit dem so genannten Karikaturen-Streit im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen in den Jyllands Posten 2005.

Im Jahr 2006 wurde der Zeichner Ralf König für seine künstlerische Stellungnahme im Streit um die Mohammed-Karikaturen mit einem Spezialpreis der Jury des Max und Moritz-Preises ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr erhielt Ralf König, der sich seitdem intensiv zeichnerisch mit dem Thema Religion und Extremismus auseinandergesetzt hat, den Max und Moritz-Preis für sein Lebenswerk. Natürlich haben wir uns als Veranstalter des Comic-Salons und des Max und Moritz-Preises schon 2006 gefragt, ob diese Preisvergabe mit Risiken verbunden sein könnte.

Das Todesurteil gegen Salman Rushdie und der Mord an dem niederländischen Regisseur Theo van Gogh legten diese Gedanken nahe. Nach den jüngsten Ereignissen wird man solche Risiken womöglich noch einmal anders abwägen müssen. Denn es ist ja einerseits richtig zu sagen, dass die Freiheit der Kunst und die Pressefreiheit ein hohes Gut sind und dass man nicht aus Angst vor Konsequenzen Abstriche daran machen darf. Andererseits darf man als Veranstalter aber natürlich niemals seine Besucher in Gefahr bringen.

Ich fürchte schon, dass man bei Kulturveranstaltungen, die mit Politik zu tun haben — ich denke da nicht nur an den Internationalen Comic-Salon, sondern vor allem auch an das Erlanger Poetenfest — künftig noch einmal anders abwägen muss. Für die Medienbranche gilt das selbstverständlich auch. Man mag sich in einer offenen Gesellschaft genauso wenig Sicherheitskontrollen bei Kulturveranstaltungen wie Zeitungsredaktionen als Festungen vorstellen.

Die andere Frage, mit der man als Veranstalter auch immer wieder zu tun hat, ist: Wie weit geht künstlerische Freiheit, was darf Satire? So wie ja keine Zeitung gezwungen ist, alles abzudrucken liegt es ja auch im Ermessen eines Veranstalters, wen und was man präsentieren möchte. Die Mohamed-Karikaturen in den Jyllands Posten galten künstlerisch als nicht besonders originell, die Karikaturen in Charlie Hebdo gingen offenbar häufig so weit, wie wir es in Deutschland kaum gewohnt sind. Aber darum geht es nicht.

Es muss bei uns erlaubt sein, alles abzudrucken und zu veröffentlichen, was nicht gegen Gesetze verstößt. Und da gibt es ja Regeln, die sogar Presse- und Kunstfreiheit Grenzen setzen. Der Schutz der Menschenwürde, Volksverhetzung usw. sind dabei zum Beispiel Kriterien. Aber darüber haben natürlich Gerichte zu entscheiden, nicht Terroristen.

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