Neue Rechte in Erlangen: "Pack, das hier nichts verloren hat"

6.7.2015, 06:01 Uhr
Unter anderem gegen die rechte Studentenverbindung Frankonia demonstrierten Hunderte Menschen in Erlangen.

© Michael Müller Unter anderem gegen die rechte Studentenverbindung Frankonia demonstrierten Hunderte Menschen in Erlangen.

Vom Lautsprecherwagen, der in der Mitte der Loewenichstraße geparkt ist, dröhnt Musik von K.I.Z herunter. Die Texte der Berliner HipHop-Gruppe knallen auf die Demonstranten herunter wie die Sonne, die schon am Samstagmorgen strahlt, als wolle sie das Pflaster aufweichen.

Auf der Straße vor dem Haus der Burschenschaft Frankonia hat die Polizei Absperrungen aufgebaut. Von der Hindenburgstraße aus darf man in die Loewenichstraße, die Seite von der Schillerstraße haben die Beamten dicht gemacht. Zudem gibt es rund um das Gebiet Loewenichstraße weitere Absperrungen.

In schwarzen Uniformen schwitzen die Polizisten, viele sind vom USK, vom Unterstützungskommando, einer Polizeieinheit, die auf den Einsatz bei Demonstrationen spezialisiert ist. Die Polizisten trennen die Demonstranten von den Teilnehmern der Messe „Zwischentag“, die als ein Netzwerktreffen unterschiedlicher Gruppen, Verlage und Zeitschriften der „Neuen Rechten“ gilt. Vom Balkon des Hauses der Frankonia beobachten Burschenschafter das Treiben.

Nach und nach treffen die Teilnehmer ein. Darunter der bundesweit bekannte Rechtsradikale Karl-Heinz Hoffmann, der Gründer der nach ihm benannten Wehrsportgruppe Hoffmann oder Neonazi Michael Mannheimer. Das erste Mal brisant wird es, als zwei Gäste des Treffens in der Frankonia über den Eingang Hindenburgstraße durch die Demonstranten zum Verbindungshaus wollen.

Demonstranten stellen sich ihnen in den Weg, umkreisen sie, blockieren sie. Die Teilnehmer weichen aus, drücken gegen die Demonstranten, sie schubsen sich gegenseitig. Die Polizisten hinter der Absperrung schauen zu nächst zu. Ein paar Minuten geht das so. Dann springen Polizisten über die Gitter, trennen die Gruppen und geleiten die Teilnehmer zum Haus der Burschenschaft. Ein Polizist ermahnt einen Demonstranten.

Am späten Nachmittag eskaliert die Situation. Demonstranten schildern sie so: Stefan Böhmer, Alter Herr der Burschenschaft Frankonia und Rechtsanwalt, der einen Holocaust-Leugner verteidigt, hat sich über Gärten auf die Seite der Demonstranten geschlichen. Zuvor sollen die Beamten, seinen Versuch, über die Polizeigitter zu klettern, vereitelt haben.

Die Demonstranten erkennen Böhmer, sie beschimpfen ihn, sie kreisen ihn ein. Böhmer reagiert. Er soll einen Demonstranten mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Dass Böhmer geschlagen haben soll, kann die Polizei aber nicht bestätigen. Dann greift die Polizei ein. Sie fahren — so die Schilderung — mit mehreren Autos an. Schon in der Fahrt reißen sie eine Beifahrertür auf, treffen damit einen Demonstranten am Kopf, drücken den Mann mit dem Kopf auf den heißen Straßenboden und legen ihn Handschellen an. Er blutet im Gesicht und wird in Handschellen fotografiert. Sein Wunsch nach einem Arzt wird mit höhnischen Bemerkungen abgetan. Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung gegen den Demonstranten, weil er mit dem Kopf gegen die Tür des Polizeiautos geschlagen habe, heißt es.

Drei Polizeibeamte durch Fußtritte verletzt

Von der Polizei ist am gestrigen Nachmittag zu dem Vorfall keine Auskunft zu bekommen. Die zuständige Beamtin sei nicht im Dienst, im Laufe der Woche könne man das klären, sagt der diensthabende Polizeisprecher im Polizeipräsidium Mittelfranken. In der offiziellen Pressemitteilung der Polizei steht: Die Messeveranstaltung und stationäre Gegenkundgebungen seien „weitgehend friedlich und bis auf wenige Ausnahmen störungsfrei“ verlaufen. Die Polizei habe mehrere Versuche, Absperrungen zu überwinden, „teilweise durch Einsatz von Pfefferspray“ unterbunden. Gegen einige Demonstranten habe die Polizei „Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Es wurden drei Polizeibeamte durch Fußtritte verletzt.

Während der Kundgebung haben die Aktion Courage Erlangen und das antifaschistische Bündnis gegen den „Zwischentag“ ihre Ablehnung in vielen Reden deutlich gemacht. Die Rede des Oberbürgermeisters Florian Janik wird mehrmals heftig beklatscht.

Das Stadtoberhaupt spricht von einem „Rechten Pack, das in unserer Stadt nichts verloren hat“. Man erkenne Nazis auch dann, wenn sie keine Springerstiefel trügen. Frank Riegler, der Sprecher der Aktion Courage, sagt, wenn man die „Ergüsse der Neuen Rechten“ lese, „dann ist das genau wieder das Gedankengut, das wir von Hitler und seinen Verbrechern kennen. Unsere Kundgebung ist Ausdruck der Vielfältigkeit und der Buntheit unserer Gesellschaft“.

Ähnlich äußern sich die weiteren Redner. Bürgermeisterin Elisabeth Preuß von der Allianz gegen Rechtsradikalismus in der Metropolregion Nürnberg und Ruth Brenner von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Nach den Reden verlagert sich die Kundgebung langsam an den Bürgermeistersteg. Die Studierendenvertretung der FAU hat dort ein Buntes Fest organisiert.

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