Passagiere im Zug wie Sardinen in der Dose

10.12.2011, 10:57 Uhr
Passagiere im Zug wie Sardinen in der Dose

© Linke

Der Bahnsteig 4 des Erlanger Bahnhofs ist schwarz vor Menschen. Sie warten auf den Regionalexpress (RE) 4111, 17.55 Uhr, nach Nürnberg. Der Zug rollt ein — die Menge drängt zu den Einstiegen. Doch der Zug aus Sonneberg und Bamberg ist bereits proppenvoll. Die zugestiegenen Passagiere fließen in die Gänge zwischen den Sitzreihen und bleiben dort stehen. Zahlreiche Fahrgäste müssen in den Türbereichen der Wagen ausharren, bis sie in Fürth oder Nürnberg aussteigen können. „Das sind wir gewohnt“, sagen Erich Rudler und Herbert Sattler (Namen geändert), die regelmäßig im RE pendeln. „Hier steht man wie die Sardine in der Dose.“

Da wird einem Passagier schon mal der Rucksack des Nebenmanns auf die Nase gedrückt. Und die kürzlich von der Bahn in diesem Zug als Image-Werbung angebotene Massage durch eine Fachkraft kann entfallen, weil bereits der Ellbogen des Nachbarn wohltuend den Rücken knetet.

Zahllose Fahrgäste verfluchen die DB wegen der Überfüllung der Züge — auch der S-Bahnen — zwischen Nürnberg und Erlangen und umgekehrt. Das Problem: Die Engpässe entstehen zu Spitzenzeiten, wenn (Siemens-)Pendler und Studenten vormittags in die Hugenottenstadt strömen und abends zurückfahren. Im Erlanger Bahnhof leeren sich die Waggons und rollen mit erheblich ausgedünnter Passagierzahl weiter in Richtung Sonneberg in Thüringen. Das heißt: Die Bahn müsste für einen vergleichsweise kurzen Streckenabschnitt zusätzliche Wagen einspannen.

Immerhin ergießen sich täglich rund 54000 Pendler von außen in die Hugenottenstadt, wie die städtische Pressestelle auf EN-Anfrage mitteilt. Wie viele davon mit der Bahn anreisen, ist unklar. Zwar werden demnächst Umfragen bei den Mitarbeitern großer hiesiger Firmen gestartet, um herauszufinden, mit welchem Verkehrsmittel sie zur Arbeit kommen. Doch die Ergebnisse werden erst in einem Dreivierteljahr auf dem Tisch liegen, heißt es aus dem Rathaus.

Momentan hängt die Bahn an die Regionalzüge fünf Doppelstockwagen. „Dies entspricht der betrieblich maximal zulässigen Zuglänge“, sagt ein Bahnsprecher in München auf Anfrage der EN. Bedingt ist dies unter anderem mit der Länge der Bahnsteige in den Bahnhöfen; der Zug darf aus Sicherheitsgründen nicht länger sein als der Bahnsteig.

Die fünf Doppelstockwagen bieten 579 Sitz- und 660 Stehplätze. Die Reisenden werden regelmäßig gezählt, versichert der DB-Sprecher. „Die Reisendenzahlen für die betreffenden RE nach oder aus Erlangen aus dem ersten Halbjahr 2011 lassen auf eine normale Auslastung schließen“, formuliert er vorsichtig. „Nach Rücksprache mit dem Zugpersonal sind in der Regel im ersten und im letzten Wagen noch Sitzplätze frei.“ Die Bahn gehe davon aus, dass es sich im Einzelfall „um ein erhöhtes Fahrgastaufkommen im Zusammenhang mit einer Messe in Nürnberg gehandelt haben könnte“.



Allerdings räumt der Sprecher ein, dass die Zählungen nicht auf dem aktuellsten Stand sind; offenbar ist auch nicht berücksichtigt, ob Semesterferien sind oder nicht. Viele Fahrgäste verschärfen das Problem auch, indem sie Sitzplätze mit Gepäck belegen oder bewusst in der Nähe eines bestimmten Ausstiegs im Zug bleiben, weil sie wissen, dass von hier am Zielbahnhof der kürzeste Weg zur Treppe oder zum Ausgang zurückzulegen ist.

Vorschriften, wie viele Passagiere in den Türbereichen stehen dürfen, ohne sich zu gefährden, gibt es nicht, so der Sprecher. Züge gelten als noch normal besetzt, wenn die Sitz- und Stehplätze nicht zu 90 Prozent belegt sind. „Wenn die Auslastung mehrfach über 90 Prozent steigt, müssen wir näher hinschauen“, heißt es. Aber auch drangvolle Enge, die diesen Wert nicht erreicht, interessiere die Bahn, damit Abhilfe geschaffen werden könne. Ist ein Zug zu nahezu 200 Prozent belegt, muss das Personal Alarm schlagen. Dann gilt er als „übervoll“ — niemand darf mehr einsteigen.

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