Perpetuum mobile und kosmische Ruhe

24.1.2019, 18:21 Uhr

Zwei Flügel stehen sich gegenüber, dazwischen die Bühne des kleinen Saals der Heinrich-Lades-Halle, das Licht ist maximal heruntergedimmt, nur die Kopfwand wird sacht rot und blau angestrahlt – Weltraumbeleuchtung eben, wie sie besser nicht zu Peter Eötvös’ "Kosmos für zwei Klaviere" passen konnte. Mit diesem Stück eröffnen die japanischen Spitzenpianistinnen Mari und Momo Kodama das "unerHÖRT!"-Konzert, veranstaltet vom GVE in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk.

Mit einem Urknall entsteht Eötvös’ Kosmos, dessen Wachsen und Vergehen durch schillernde Triller, fein akzentuierte Motivspuren, kraftvolle Akkorde und silbrigen Nachhall musikalisch dargestellt werden. Die beiden Schwestern spielen aus den gleichen Noten, nur nicht gleichzeitig, nicht jede spielt alles gleich. Es ist, als ob man von zwei Menschen die gleiche Geschichte erzählt bekommt, aber in kosmischer Ruhe und Luzidität.

Für John Adams’ "Hallelujah Junction" werden die zwei Flügel zusammengerückt und mit einem resoluten Start setzen Mari und Momo Kodama ein Perpetuum mobile in Bewegung, das sich im Verlauf motivisch, rhythmisch und klanglich verwandelt und zum Ursprung zurück findet. Minimal Music in kaleidoskopischer Ausprägung, die von den Pianistinnen höchste Konzentration fordert und den Zuhörer förmlich ansaugt.

Zwei zarte Frauen

Richtig unerHÖRT! wurde es aber erst bei "Le Sacre du Printemps" in der Fassung für zwei Klaviere, von Igor Strawinsky eigens erstellt für die beiden Pianisten, die 1913 das Ballett bei den Proben zur Uraufführung begleiteten. Ob damals tatsächlich Pianisten mit den geforderten Fähigkeiten zur Verfügung standen? Das Duo Kodama, zwei zarte Frauen im blutroten Licht, liefern: Sie türmen die Akkorde aufeinander, sie halten den urtümlich stampfenden Rhythmus in seiner Gnadenlosigkeit durch, sie unterlegen die ruhigeren Teile mit der Gewissheit des Verlusts eines Menschenlebens und – das ist das Allerschwerste: Sie verlieren beim Tanz auf dem schmalen Grat zwischen wuchtigstem dreifachen Fortissimo und "Hämmern" nie die Balance. Mari und Momo Kodama haben den Mut, bis an die Grenze zu gehen, aber sie haben auch die Klasse und die mentale Kraft, auf der Seite der Musik zu bleiben, ihrem Anschlag Farbigkeit zu geben, die Leere nach dem Opfer vorher zu ahnen. Erbarmungslos wird hier Zerrissenheit zelebriert und der Zuhörer lässt sich von der Ästhetik gewordenen Grausamkeit faszinieren.

Bravo-Rufe klangen durch den aufbrandenden Applaus, für den sich Mari und Momo Kodama mit zwei Tänzen aus Peter Tschaikowskys Ballett (!) "Der Nussknacker" bedankten.

ZEine Aufzeichnung dieses unvergesslichen Konzerts sendet "BR Klassik" am 4. April 2019 ab 20.05 Uhr.

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