Prägendes Orchester

2.2.2013, 00:00 Uhr
Prägendes Orchester

© Schreiter

Im Fall der „Jungen Philharmonie Erlangen“ sprechen bereits die Zahlen und Statistiken eine deutliche Sprache, die Gründungsmitglied und Orchestervorstand Michael Schellong zur Verfügung stellt: Das Orchester besteht aus 75 Musikern. 65 Prozent davon sind weiblich, 35 Prozent männlich. Das Durchschnittsalter liegt inzwischen bei jungen 37 Jahren. Seit 19 Semestern, also neuneinhalb Jahren, spielen die Mitglieder im Durchschnitt mit. In der Wirtschaft würde man bei solcher Treue von stabiler „Kundenbindung“ sprechen. 84 Prozent der Orchestermitglieder stehen im Berufsleben.

Erlangen ist Medizinstadt und die Doctores sind bekannt für ihre Musikliebe: 30 Prozent der Orchestermitglieder sind Mediziner – etwaige Notfälle befinden sich somit während der Probenarbeit in besten Händen. Überraschend ist der ebenso hohe Anteil an Mitgliedern mit technischen Berufen: Informatikern, Elektrotechnikern, Maschinenbauern & Co. wird der Musenkuss gemeinhin weniger zugesprochen. Die verbleibenden 40 Prozent der Orchestermitglieder verdienen ihr Brot als Lehrer, Juristen oder mit musischen Berufen.

Selbstorganisiertes Arbeiten

Sieben Ehen sind im Lauf der Jahre zwischen Orchestermitgliedern geschlossen worden, aus denen 19 Kinder hervorgingen. Die Musik scheint sich günstig auf die demographische und eheliche Entwicklung auszuwirken: Von den Orchesterehen wurde keine geschieden. Elf Prozent der Musizierenden sind Studenten, fünf Prozent macht der Schüleranteil aus. Bei der Gründung vor 20 Jahren bestand das Orchester fast ausschließlich aus Studenten.

Das Orchester ist im besten Sinne in die Jahre gekommen, hat sich bewährt. Die Mitglieder arbeiten selbstorganisiert und aus eigenem Antrieb, und das ist ein Vorteil: Es gibt den Vorstand, eine Programmkommission, eine Gruppe, die für den technischen Aufbau zuständig ist.

Heiter und gelöst

Ein Team erstellt und verteilt die auffallend phantasievoll gestalteten Plakate und Handzettel, betreut die Homepage. Ein weiteres Team organisiert die Probenwochenenden auf Burg Feuerstein bzw. Hoheneck. So ist die Arbeit auf viele Schultern verteilt. Von soviel Verantwortungsgefühl füreinander und Kollegialität untereinander können die meisten Berufsorchester, kann jeder mittlere Betrieb nur träumen! Die Atmosphäre ist heiter, gelöst, unkompliziert. Wenn Kinder bei den Probenwochenenden dabei sind, findet sich immer eine Betreuung innerhalb der orchestralen Großfamilie. Ab und an gab es Orchesterfahrten nach Russland, Polen und Frankreich, die freilich einen enormen organisatorischen Aufwand bedeuten.

Das Engagement und der Idealismus, der dieses Orchester zusammenschweißt, erstreckt sich aber auch auf das disziplinierte Probenverhalten: Jeden Sonntag wird zwischen 19 und 22 Uhr im Frankenhof geprobt, den die Stadt kostenfrei zur Verfügung stellt. Der Sonntag Abend hat den Vorteil, dass die Mitglieder ausgeruht kommen, nicht vom Berufsalltag in die Probe hetzen. Hinzu kommen die Probenwochenenden vor den beiden großen Konzerten in der Ladeshalle.

Finanziell kommt das Orchester als gemeinnütziger Verein gerade so hin. Die Berufstätigen bezahlen 25 Euro, Studenten 20 Euro Mitgliedsbeitrag, Schüler sind beitragsfrei. Sponsoren und Spenden sind daher hochwillkommen. Einnahmen werden zusätzlich aus den Eintrittsgeldern und dem Verkauf des Programmhefts erzielt. Denn die meist professionellen Solisten müssen bezahlt werden. Darunter finden sich immer wieder hervorragende Künstler der Region wie Lizzy Aumeier, Cornelia Götz, Lukas und Christoph Kuen, Renate Kaschmieder, Elisabeth Kufferath, die mit ihrer Erfahrung und ihren Ansprüchen das Orchester fordern, motivieren, begeistern. Das Repertoire ist im Lauf der Jahre groß geworden, abwechslungsreich; es erstreckt sich vor allem von der Klassik bis hin zur Moderne. Ein Highlight war sicher das „Filmmusikkonzert“ mit hinterlegten Filmszenen auf der Großbildleinwand im Sommer 2011. Als Orchesterleiter wechseln sich Mathias Bock und Gordian Teupke semesterweise ab.

Die „Junge Philharmonie Erlangen“ freut sich prinzipiell über Interessenten aller Instrumentalgruppen. Vorspiele gibt es keine, jeder Neuzuwachs spielt zunächst einfach in der Probe mit. Im weiteren Verlauf sind Zuverlässigkeit und Regelmäßigkeit wichtig, aber auch die persönliche Selbsteinschätzung: Wer nicht so gut spielt, sollte sich zumindest zurückhalten.

Jubel-Abend mit Rachmaninov

Das Orchester ist in Erlangen bekannt für seine spritzigen, gewitzten Programme, sein hohes Niveau und seinen erfrischenden Enthusiasmus. Das Jubiläumskonzert findet am Samstag, 9. Februar, ab 19 Uhr in der Heinrich-Lades-Halle statt. Zur Feier des Tages wird ein besonderer musikalischer Leckerbissen erklingen: Rachmaninovs Klavierkonzert Nr. 3 mit dem international bekannten Pianisten Kai Adomeit am Flügel. Bereits im Alter von 22 Jahren hatte Adomeit eine staunenswerte Rachmaninov- Gesamteinspielung vorgelegt und später für seine Dvorak-Aufnahme den renommierten Schallplattenpreis „Choc de monde de la musique“ erhalten. Zu seiner Konzerttätigkeit gesellen sich immer wieder auch Filmmusikprojekte wie beispielsweise „Die Päpstin“. Umrahmt wird Adomeits Auftritt von gleich zwei beeindruckenden Werken Modest Mussorgskys: die selten gespielte Ouvertüre zu der Oper „Khovanshchina“, deren romantische Zartheit das Konzert eröffnen wird, und die beliebten „Bilder einer Ausstellung“. Die musikalische Leitung liegt in den bewährten Händen von Mathias Bock (Karten gibt es im Vorverkauf bei „erlangen ticket“ oder an der Abendkasse).

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