Uni Erlangen hat nach PCB-Fund keine Lösung für den Ernstfall

22.11.2013, 07:00 Uhr
Das Gutachten über die PCB-Belastungen in den "Philosophischen Türmen" der Uni Erlangen birgt einige Brisanz.

© Harald Sippel Das Gutachten über die PCB-Belastungen in den "Philosophischen Türmen" der Uni Erlangen birgt einige Brisanz.

Die Mitarbeiter der Uni in den "Philosophentürmen" sind seit Erscheinen des Schadstoffgutachtens für die Gebäude, in denen sie täglich arbeiten, verunsichert. "Der Gedanke ist nicht schön, täglich von dem Gift umgeben zu sein", sagt Rainer Trinczek, Dekan der Philosophischen Fakultät. "Wir müssen damit leben, solange die Werte nicht bedenklich sind."

Mitte Juni 2013 hatte das Ingenieurbüro CDM Smith aus Nürnberg an zehn Messpunkten in den "Philiosophentürmen" A, B und C in der Bismarckstraße Raumluftproben genommen. Die Experten wurden laut Bauamts-Chef Dieter Maußner mit der Analyse beauftragt, um eine baufachliche Beurteilung abzugeben. "Die Universität wollte die Gebäude in der Bismarckstraße auf ihre Sanierungsfähigkeit hin überprüfen", sagt Maußner.

Das Ergebnis des Gutachtens, das der Online-Redaktion vorliegt: Acht von zehn Proben ergaben bedenkliche PCB-Werte in der Luft. Also Werte, die über dem sogenannten Vorsorgewert liegen. In einem Fall in der Anglistik-Bibliothek wurde sogar der Grenzwert überschritten.

Laut PCB-Richtlinie ist der Vorsorgewert bei einer Raumluftkonzentration ab 300 ng PCB/m3 erreicht, es werden dann regelmäßige Lüftung und gründliche Reinigung empfohlen. Der PCB-Herd sollte schnellstmöglich entfernt werden.

Bei einer Belastung über 3000 ng PCB/m3 ist der Grenzwert überschritten; die Ursache muss schnellstmöglich beseitigt werden, falls weitere Kontrollmessungen das Ergebnis bestätigen.

Für die Mitarbeiter liest sich die abschließende Beurteilung des Gutachtens bedrohlich: "Die Messergebnisse lassen zweifelsfrei eine Beeinflussung der Raumluft durch PCB erkennen. Eine Gefährdung der Nutzer kann damit aus umweltgutachterlicher Sicht zum derzeitigen Kenntnisstand nicht ausgeschlossen werden." Regelmäßiges Lüften und eine gründliche Reinigung sollten deshalb "ab sofort in den Gebäuden angestrebt werden".

Die Universitätsleitung war ebenso alarmiert, doch das Gesundheitsamt gab vorerst Entwarnung. Aus den Messwerten ließen sich „keine Konsequenzen für die Beschäftigten oder ein unmittelbarer Handlungsbedarf für die Universität ableiten“, erklärte die Universität nach Erscheinen des Gutachtens.

Zugeschraubte Fenster

Dekan Trinczek bleibt dennoch skeptisch, nimmt die Universitätsleitung aber in Schutz. Diese hatte angeboten, dass jeder Mitarbeiter jederzeit den Betriebsärztlichen Dienst der Universität konsultieren könne, um sich untersuchen zu lassen. "Vor Weihnachten ist auch noch einmal ein Treffen geplant, falls bei den Mitarbeitern Redebedarf besteht", so Trinczek.

Die Unileitung hat den Mitarbeitern nun als Sofortmaßnahme empfohlen, die betroffenen Räume regelmäßig zu lüften. Zudem soll in den hoch belasteten Räume häufiger und gründlicher geputzt werden. Doch Trinczek sieht da bereits erste Probleme aufkommen. Die PCB-Spitzenwerte, die vor  allem in den Bibliotheken gemessen wurden, stammen vom Staub, der sich auf den Büchern abgelegt hat. "Wie sollen wir regelmäßig Tausende Bücher vom Staub befreien?", fragt sich Trinczek.

Und wie regelmäßig lüften, wenn zahlreiche Fenster zugeschraubt sind, damit sie nicht aus den Aufhängungen fallen? Dies bemängelte auch das Ingenieurbüro bereits im Gutachten. Eine Lüftung in den Fluren sei nicht möglich gewesen, "da die dortigen Fenster nicht zu öffnen" waren. Auch in einem Seminarsaal im A-Turm sind die Fenster zugeschraubt. Kanzler Thomas Schöck vertagt dieses Problem, denn das sei Sache der Uni-Bauabteilung und erst zu diskutieren, wenn das Ergebnis der zweiten Messung Anfang Januar vorliege. Rainer Trinczek bereiten die möglichen Umbaumaßnahmen jedoch bereits jetzt Kopfschmerzen: "Hier werden wir zusammen mit der Unileitung kurzfristige Lösungen finden müssen."

Investitionen in eine Ruine unvermeidlich

Die kurzfristige Lösung bedeutet, dass Fenster und PCB-belastete Vorhänge, Teppiche und Heizkörper entfernt werden. Zudem müssen die Dichtfugenmittel, die die hohen PCB-Werte in der Raumluft hervorrufen, entfernt oder zumindest versiegelt werden. Eine Investition in eine Ruine. Denn es herrscht mittlerweile Konsens über alle Gremien hinweg: Die "Philosphentürme" sind nicht mehr sanierungsfähig, so Trinczek. Langfristig bleibt den Mitarbeitern und Studenten der philosophischen Fakultät deshalb nur eine Lösung: Der Umzug in ein neues Quartier. Im Gespräch ist derzeit der Himbeerpalast, das Siemens-Verwaltungsgebäude in der Erlanger Innenstadt, das der Konzern in einigen Jahren aufgeben will.

Diese langfristigen Überlegungen werden jedoch hinfällig, sollten bei den erneuten Messungen, die derzeit durchgeführt werden, wieder hohe PCB-Werte festgestellt werden. Während bei der ersten Messung lediglich an zehn Stellen in den Gebäuden Messstationen aufgestellt wurden, werden diesmal an über einhundert Stellen Werte ermittelt  - und das in einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen. Abhängig vom Resultat müssten die Mitarbeiter im schlimmsten Fall schnellstmöglich ausziehen. "Dann hätten wir ein Riesenproblem", sagt Trinczek.

Niemand weiß, wie das logistisch zu bewerkstelligen sein könnte. Schon der Umzug der Departements, die in der Kochstraße beheimatet waren und wegen maroder Decken kurzfristig nach Tennenlohe umziehen mussten, stellte die Universität vor große logistische Probleme.

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