Die Piratenpartei will den ÖPNV kapern

15.1.2012, 17:34 Uhr
Die Piratenpartei will den ÖPNV kapern

© Edgar Pfrogner

Es wäre erstrebenswert, wenn die Bürger im Stadtgebiet künftig kostenlos Bus fahren könnten, schreibt Piratenpartei-Mitglied Patrick Weber aus Hausen in einer Pressemitteilung. Der 21-jährige Student ist nach dem Einzug der Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus im September 2011 der Partei beigetreten. „Zuvor habe ich schon als Parteiloser mit den Piraten sympathisiert.“ Nun will er sich in die Forchheimer Lokalpolitik einbringen, erklärt der Hausener auf Nachfrage der NN. Das erste Thema, das er mit der Piratenpartei in Forchheim besetzen will, ist bereits ein dauerhaft diskutiertes: Der Verkehr in der Innenstadt. Die Hornschuchallee mit der Parkplatzproblematik und dem Durchgangsverkehr sei nicht attraktiv, nennt er ein Beispiel. Die Lösung könne aber nicht sein, „immer mehr Straßen und Parkplätze zu bauen, wir müssen die Ursachen in Angriff nehmen, um die Stadt zu entlasten“.

Mit einem „fahrscheinlosen“ öffentlichen Personennahverkehr könnte man die Bürger dazu bewegen, das Auto daheim zu lassen, glaubt Weber. Die Innenstadt, vor allem Paradeplatz und Hornschuchallee, würden aufgewertet, auch die Geschäfte profitierten.

Das Busnetz müsste dazu zunächst nicht vergrößert werden, da die Busse aktuell noch nicht ausgelastet seien, so Weber. Auch die bereits bestehenden Park-and-ride-Parkplätze seien ausreichend für die Aktion, glaubt er.

Konkrete Vorschläge zur Finanzierung des Projekts kann Weber noch nicht machen. Ein Vorschlag lautet: höhere Parkgebühren in der Innenstadt. Die Brötchentaste, die Weber nicht generell für schlecht hält, müsste bei dieser Finanzierungsvariante abgeschafft werden. Außerdem würde die Stadt langfristig enorme Summen einsparen, wenn sie weniger in den Straßenbau und die -sanierung investieren müsse. „In der belgischen Stadt Hasselt ist der Nulltarif im ÖPNV Mitte der 90er eingeführt worden, da konnten Straßen sogar zurückgebaut werden.“

Kooperation mit Parteien

Da es weder einen Orts- noch einen Kreisverband der Piratenpartei in Forchheim gibt, spricht Weber seine Aktionen direkt mit dem Vorstand des Bezirksverbandes Oberfranken ab. Zunächst will sich Weber auf das Thema Verkehr/ÖPNV konzentrieren. Dazu soll als nächstes die Kooperation mit anderen Parteien weiter vorangetrieben werden. Es habe bereits vielversprechende Gespräche gegeben.

Klaus Hummel findet die Idee begrüßenswert. Der Nahverkehrsexperte am Landratsamt hält allerdings die Finanzierbarkeit für das große Problem. 1,1 Millionen Euro kostet der Forchheimer ÖPNV im Jahr. Zieht man die Einnahmen durch Fahrkarten und die Zuschüsse ab, müssen Landkreis und Stadt jährlich noch 600000 Euro zuschießen.

Große Einsparpotenziale im Straßenbau sieht Hummel nicht, denn „auch die Busse wollen auf ordentlichen Straßen fahren“. Wege wie die Adenauerallee seien Bundesstraßen, das heißt Einsparungen in diesem Bereich würden dem Bund, aber nicht der Kommune zugute kommen, überlegt Hummel weiter. Würden, wie beabsichtigt, erheblich mehr Bürger auf den ÖPNV umsteigen, müssten außerdem mehr Busse eingesetzt werden, die beauftragten Unternehmen neue Fahrzeuge anschaffen.

Je mehr man versucht, die Idee umzusetzen, desto mehr Hürden türmen sich auf, wird im Gespräch mit Klaus Hummel und auch dem Pressesprecher des VGN Manfred Rupp klar. In Kersbach und Burk beispielsweise fahren keine Stadt-, sondern Regionallinien des ÖPNV. Bei kostenfreiem Stadtverkehr müssten die Kersbacher und Burker trotzdem zahlen. Das Umsonst-Projekt aber auszuweiten, hält Manfred Rupp für nicht realisierbar. Verbundweit müssten dann 250 Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen kompensiert werden, so Rupp, der die Idee ähnlich wie Hummel trotzdem für diskussionswürdig hält.

Das Beispiel der belgischen Stadt Hasselt allerdings könne nicht so ohne weiteres auf Forchheim übertragen werden. In der Stadt mit doppelt so vielen Einwohnern sei der Nulltarif für Busse die Alternative zum millionenteuren neuen Autobahnring gewesen. Außerdem sei der ÖPNV dort bis zur Umstellung sehr spärlich genutzt worden, die Einnahmeausfälle dadurch auch nicht hoch, so Rupp.

Ob wirklich deutlich mehr Bürger auf den Bus umsteigen würden, wenn es nichts kostet, sind sich die Experten nicht sicher. Forchheims Oberbürgermeister Franz Stumpf glaubt nicht daran. „Die Hausfrau, die zum Einkaufen fährt, will weiter mit dem Privatauto fahren“, nennt er ein Beispiel. Der Preis sei ein wichtiger von vielen Faktoren, die entscheiden, ob man den ÖPNV wählt oder das eigene Fahrzeug, fügt VGN-Sprecher Rupp hinzu. „Schon jetzt könnten viele Berufspendler sparen, wenn sie auf Bus und Bahn umsteigen würden.“

Für OB Franz Stumpf bleibt die Idee so lange eine leicht dahergesagte Luftnummer der Piraten, bis sie sich ein tragbares Finanzierungskonzept überlegt haben.

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