Gegen den Wind

5.7.2012, 14:00 Uhr
Gegen den Wind

© Stefan Hippel

Auch heute ist es wieder spät geworden. 23 Uhr – und Thomas Engel muss noch zurück nach Bayreuth, den Dienstwagen abstellen. Erst dann geht es für den Leiter des Arbeitskreises Energiewende bei der Regierung von Oberfranken nach Hause. Abend für Abend tingelt Engel durch die Ortschaften, informiert über Regionalpläne und Vorrangflächen, diskutiert mit den Bürgern. Und muss sich die unterschiedlichsten Vorwürfe gefallen lassen.

„Ich höre den Lärm bis auf die Terrasse“, wirft eine Bürgerin mit Bezug auf das bereits bestehende Windrad bei Kasberg ein. Sie sei auf der Suche nach Ruhe aufs Land gezogen, und nun komme ein Windrad nach dem anderen. Andere beklagen den Wertverlust ihrer Häuser oder fürchten um Landschaftsbild und Tourismus.

„Wir sind nicht für Windkraft, wir sind nicht gegen Windkraft. Es geht allein darum zu steuern, wohin die Anlagen kommen“, sagt Engel immer wieder vor knapp 100 Interessierten im Hotel Schlossberg in Haidhof. Der Regionale Planungsverband (siehe „Zur Sache“ rechts) habe auf die rechtlich vorgeschriebenen Abstände zur Wohnbebauung sogar noch einmal 200 Meter draufgegeben.

Ohne Planung viel näher

Würden keine Vorrangflächen ausgewiesen, dürften Investoren außerhalb der Gemeinden überall bauen – ohne den zusätzlichen Abstand von 200 Metern. „Ohne unsere Planung könnten Ihnen die Windkraftanlagen also viel näher vors Haus gesetzt werden“, so Engel. Für den Ort Kasberg sei das Vorranggebiet in jedem Fall eine Verbesserung.

Fünf der 46 Vorrangflächen im westlichen Oberfranken liegen im Landkreis Forchheim, die mit 85 Hektar größte ist im Nordosten des Windrads bei Kasberg vorgesehen. Bis zu sieben Anlagen könnten hier später stehen. Ihr Abstand zur Wohnbebauung beträgt nach Kasberg 700 Meter, Rangen 700 Meter, Neusles 860 Meter, Haidhof 900 Meter und nach Thuisbrunn 1300 Meter. Bei den Ortsteilen handelt es sich um so genannte „Mischgebiete“, weil dort auch Landwirte arbeiten. Für diese Dörfer sieht der Planungsverband einen Mindestabstand von 700 Metern vor, bei reinen Wohngebieten wären es 1000 Meter. Diese 1000 Meter Abstand wünschen sich auch die meisten Bürger in den Ortsteilen. „Das wäre ein Vorschlag, den der Stadtrat in seine Stellungnahme aufnehmen könnte“, regt Bürgermeister Werner Wolf an.

Mathematische Schattenspiele

Zuvor stellt Christina Birkenhake, Professorin für Mathematik aus Thuisbrunn, mit Hilfe eines Computerprogramms den Schattenwurf eines Windrads in der Vorrangfläche dar. Demnach habe der Schatten im Sommer eine Länge von knapp 100 bis 400 Meter in nördliche Richtung, im Winter jedoch 700 Meter bis mehrere Kilometer. „Für die Bewohner von Thuisbrunn wäre das nicht sehr angenehm.“ Die Annahmen der Professorin überzeugen aber nicht jeden Zuhörer: Den Modellen liegt eine Windradhöhe von 220 Metern, permanent wolkenfreier Himmel und eine flache Topographie zugrunde.

Bürgermeister Wolf, eines der drei Vorstandsmitglieder der neu gegründeten Gräfenberger Energie-Genossenschaft, wird später vorgeworfen, in der Diskussion um Vorrangflächen nicht mehr objektiv zu sein. „Vielleicht plant der Bürgermeister ja eine spätere Karriere als Geschäftsführer der Genossenschaft“, mutmaßt ein Bürger. „Beeindruckend, welche Karrieremöglichkeiten Sie mir voraussagen“, entgegnet Wolf. Bei der Genossenschaft gehe es darum, die Anlagen nicht von einem fremden Investor betreiben zu lassen, sondern die Wertschöpfung vor Ort zu belassen.

In seiner Sitzung am Donnerstag, 12. Juli, will sich der Gräfenberger Stadtrat offiziell zum Vorranggebiet äußern. Wie stark sich der Regionale Planungsverband von der Stellungnahme der Stadt beeinflussen lässt, ist offen. Die Entscheidung kann am Ende nicht jeden zufriedenstellen, warnt Bürgermeister Wolf. „Demokratie heißt aber auch, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren.“

2 Kommentare