Türkische Lehrerin fördert die Integration

18.2.2011, 18:33 Uhr
Türkische Lehrerin fördert die Integration

© Roland Huber

Das „Blaulichtmilieu“ ist ein Bereich, in dem sich weder Forchheimer mit türkischen Wurzeln noch Deutsche aus Russland sonderlich engagieren. Dabei wäre bei der Freiwilligen Feuerwehr, dem THW, der DLRG oder dem BRK die Gelegenheit zur Integration ideal. Die Arbeitsgruppe „Jugendliche und Vereine“ hat deshalb vorgeschlagen, dass Schulen, Rettungsorganisationen und Jugendarbeit hier gemeinsam aktiv werden sollen.

Ein anderer Vorschlag stammt von der Arbeitsgruppe „Erwachsenenbildung“ und wird bereits umgesetzt. Es handelt sich um ein niederschwelliges Angebot für türkische Mütter, um deutsch zu lernen. Der Kniff dabei: Nicht Deutsche lehren die Sprache, sondern eine Muttersprachlerin: Dilek Yildiz. Die Istanbulerin siedelte vor 16 Jahren der Liebe wegen nach Deutschland und ist ein Beispiel dafür, wie es klappen kann mit der Integration. Insgesamt fünf Jahre hat die studierte Betriebswirtin deutsch gelernt, Tochter Ceren besucht die 8. Klasse des Ehrenbürg-Gymnasiums. In diesem Sommer will die 39-Jährige selbst nochmal die Schulbank drücken und Pädagogik studieren.

Zur Kontaktsuche motivieren

Seit März 2010 unterrichtet Dilek Yildiz einmal die Woche nachmittags an der Adalbert-Stifter-Schule (AST) ihre Landsfrauen nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch in deutscher Kultur. „Ich motiviere sie, den Kontakt zu suchen.“

Ihre Schülerinnen loben den Vorteil der türkischen Lehrerin: „Wenn ich etwas nicht verstehe, kann ich auf türkisch nachfragen und sie kann es mir auf türkisch erklären“, erzählt Sibel Ormanci. Die Kinder werden derweil von Neuntklässlerinnen der AST beaufsichtigt. Zunächst wurde der Unterricht über das Programm „Stärken vor Ort“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert, inzwischen sind die Forchheimer Soroptimistinnen eingesprungen.

AST-Schulleiterin Cordula Haderlein hat den Sprachunterricht mit ins Leben gerufen. Wie Dilek Yildiz gehört sie zu den 103 Aktiven, die sich in dem Projekt „Zusammen-Leben-Gestalten“ engagiert haben. Nur 20 der Projektteilnehmer haben Migrationshintergrund. Auch hier fließen Fördermittel aus dem Programm „Stärken vor Ort“, zirka 20000 Euro in zwei Phasen. In Phase eins geht es um die Erstellung des Integrationskonzepts. In Phase zwei soll eine Broschüre mit allen Angeboten zur Integration erstellt werden, erläutert Lisa Hoffmann in ihrer Funktion als stellvertretende Vorsitzende des Vereins Ratio, der das Projekt leitet.

Die Ausgangslage sei nicht übel, erklärt Michael John vom Bamberger Basis-Institut, der das Projekt beratend begleitet. „Trotzdem fallen auch in Forchheim junge Migranten doppelt so oft durch wie Schüler ohne Migrationshintergrund. Nur 13 Prozent der Migranten schaffen den Übergang aufs Gymnasium, bei einheimischen Deutschen beträgt die Quote 30 Prozent.“ Das Gefälle ziehe sich bis ins Erwachsenenalter. Migranten seien doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen, sagt John.

Spezielle Angebote

Keine Allerweltslösungen, sondern speziell auf die Forchheimer Bedürfnisse zugeschnittene Angebote sollen es sein. Dreh- und Angelpunkt des Konzepts ist die Bildung. Das beginnt schon im Kindergarten. Die Einrichtungen sollen verstärkt zu Familienzentren ausgebaut werden, in denen Eltern beispielsweise auch Hilfe bekommen, wenn es Sprachprobleme gibt.

Die Vorschläge der Arbeitsgruppen spiegeln wider, wie vielschichtig das Integrationsthema ist. So wird über eine neue Willkommenskultur nachgedacht mit einem Infoabend für Neubürger. Ein anderer Ansatz geht über den Magen. „Essen verbindet“ heißt das Motto des Vorschlags, bei dem Bürger über eine Adressen-Tauschaktion andere Bürger zum Essen einladen und sich so besser kennenlernen sollen. Das Konzept soll bereits in Forchheim vorhandene Angebote und frische Ideen zusammenbringen.

Welche Rolle kommt der Politik zu? Bislang haben sich Stadträte fast aller Forchheimer Parteien und Gruppierungen in den Arbeitsgruppen engagiert, betont John. Die meisten Vorschläge ließen sich wohl über ehrenamtliches Engagement oder Fördermittel bewerkstelligen. Dringend nötig sei aber ein Koordinator, der Projekte vorantreibe und auch als Anlaufstelle diene.

Der Integrationsbeirat der Stadt, der seit Jahren nur noch dem Namen nach existiert, könne diese Funktion sowieso nicht erfüllen, sagt John. Sich ein oder zwei Mal im Jahr zu treffen, reiche nicht. In anderen Städten gebe es einen Integrationsbeauftragten in der Verwaltung, zum Teil auch ein Integrationsbüro. Das müsse der Stadtrat entscheiden.