Zwischen Enkel, Backofen und Rednerpult

30.12.2011, 17:23 Uhr
Zwischen Enkel, Backofen und Rednerpult

© Michael Müller

Gerda Polster ist mitten in ihrem Element: Sie hat ihre sechs Enkel in der Kreativwerkstatt um sich versammelt. Auf dem Tisch liegen alte Holzmodeln, frische Farben und Stoffe parat. Heute wird gedruckt. Philipp, Antonia, Hannah, Franzi und Annalena verzieren Deckchen und Stofftaschen mit Blumen, Schmetterlingen, Hühnern, Kirschen – in rot, blau und grün. Der kleinste, der dreijährige Sebastian schaut mit großen Augen zu. Gerda Polster verteilt die Farben und zeigt, wie es geht.

„Ich bin Oma aus Leidenschaft“, sagt die 58-Jährige. Jeden Tag kommen ihre sechs Enkel nach der Schule zu ihr zum Mittagessen. Den Kleinsten holt sie vom Kindergarten ab – oft mit dem Traktor, weil er das so mag. Ihre drei Töchter, alle verheiratet mit jeweils zwei Kindern, leben ebenfalls in Haidhof. Die jüngste, Christine, wohnt mit ihrer Familie mit auf dem Hof. „Sonntags essen wir alle bei mir zu Mittag.“ Wenn alle 14 dann um den Tisch sitzen, kann man gut die Woche besprechen. „Das ist so schön“ – ein Satz, den Gerda Polster gern sagt und von tiefstem Herzen auch so meint.

Kinder waren immer dabei

1972 heiratet sie Siegfried Polster und zieht von Hammerbühl nach Haidhof. Weil ihr Mann in einer Kabelfabrik in Nürnberg arbeitet, versorgt sie mit Unterstützung der Schwiegereltern weitgehend allein den Bauernhof, damals mit zwölf Milchkühen und Kälbern. „Ich hab das gern gemacht. Die Kinder waren immer dabei – im Stall und auf dem Feld“, erzählt sie. „Es war viel Arbeit, aber keine Last.“

Dann hätten sie den landwirtschaftlichen Betrieb vergrößern müssen, damit es sich noch rentiert. Doch schweren Herzens geben sie die Kühe auf. Die Entwicklung, dass man immer mehr produzieren muss, um einen Gewinn zu erzielen, findet Gerda Polster furchtbar. „Früher gab es 14 Milchhofbetriebe in Haidhof, heute ist es nur noch einer und der hört auch bald auf.“ Sie kann nicht verstehen, dass Nahrungsmittel so billig sein müssen.

Der Kampf um gerechte Preise für die Bauern ist auch ein Grund mit, warum sie sich im Bayerischen Bauernverband (BBV) engagiert. Seit 1981 ist sie Ortsbäuerin von Thuisbrunn. Sie organisiert Versammlungen, Fahrten und so manche Kurse, wie zum Beispiel 1983 einen Trachtennähkurs. In einem Schulheftchen hat sie alle Aktivitäten genau notiert, sogar ihre Maße von damals. „Aber leider pass ich in die genähte fränkische Tracht nimmer rein“, schmunzelt sie.

1985 macht sie ihren Abschluss als Meisterin der Ländlichen Hauswirtschaft. Im gleichen Jahr gründet sie in der Feuerwehr Haidhof eine Damengruppe mit neun Frauen, was damals noch sehr ungewöhnlich war. „Ich habe die höchste Leistungsprüfung abgelegt“, erinnert sie sich. Solche Aktivitäten schweißen ein kleines Dorf zusammen. Zuletzt hat sie einen Adventskalender in der Kirchengemeinde Thuisbrunn organisiert, an dem jeden Tag eine andere Familie ein Adventsfenster öffnet, um so gemeinsam auf Weihnachten zuzugehen – „eine kleine Besinnung, die gut tut.“

Gerda Polster, seit zehn Jahren stellvertretende Kreisbäuerin, baut auch das Bildungsangebot im BBV mit aus und organisiert Vorträge über Burnout oder Osteoporose. Sie setzt sich dafür ein, dass an Schulen wieder mehr über gesunde Ernährung gelehrt wird und besucht selbst Klassen. Sie wirbt für qualitätsvolle Produkte aus der Region und sagt: „Wir müssen mehr Aufklärungsarbeit leisten.“ Sie selbst und ihre Familie sind Selbstversorger: „Wir bauen Kartoffeln, Gemüse und Obst selbst an. Wir haben vier Schweine, 20 Hühner, sechs Enten und zwei Gänse.“ In den Supermarkt geht sie fast nie.

Küchla für Amerika

Ihre Tage sind gut gefüllt. „Morgen bin ich in München“, erzählt sie. Dort sei eine Tagung für Nebenerwerbslandwirte, deren Vertreterin für Oberfranken sie ist. Am Freitag backt Gerda Polster immer Brot im Holzbackofen auf dem Hof – aber nur für die Familie und Bekannte. Küchla backt sie dagegen auch auf Bestellung für Hochzeiten und Konfirmationen. Erst kürzlich ging ein Paket mit der fränkischen Spezialität sogar nach Amerika. Die 58-Jährige ist auch noch ehrenamtliche Richterin am Finanzgericht in Nürnberg. „Ach ja und heute Abend muss ich für den BBV eine Wahl zur Ortsbäuerin in Hundsboden leiten“, zählt sie weiter auf.

Als BBV-Werkkursleiterin gibt sie Stoffdruck-Kurse mit Modeln nach alter Technik oder sie hält als Ernährungsfachfrau Vorträge über Produkte aus der Region. „Ich kann nur jedem raten, sich immer weiter zu bilden, sich immer neue Aufgaben zu suchen, denn wer rastet, der rostet“, findet sie. Zum Ausspannen spielt Gerda Polster gern auf ihrer Veeh-Harfe oder sie geht walken. „Wir können gleich raus in die Natur, das ist doch toll.“ Außerdem ist sie mit ihrem Mann aktiv in der Volkstanzgruppe des Fränkischen-Schweiz-Vereins in Thuisbrunn.

Früher hat sie auch viele Gedichte geschrieben. „Richtig lange und lustige Geschichten, aber heute schaff ich nur noch Vier-Zeiler“, erzählt sie. Die besten Gedanken kamen ihr immer im Kuhstall. Der fehlt ihr ein bisschen. Doch das Nachdenken über das Leben bleibt – über die Wegwerfgesellschaft, über Fastfood und darüber, dass fast niemand mehr Zeit hat trotz immer mehr Apparate und Maschinen. „Das ist doch eigentlich komisch, oder?“

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